Stephan Eicher (Bild) spielt mit dem Bild des «Zigeuners» und sucht mit seinem Bruder Erich nach seinen jenischen Wurzeln.

Film - «unerhört jenisch»

08.02.2017

Von der Kraft der Musik

Von der Kraft der Musik...

«I weiss nid, was es isch ...» Einer der schönsten Songs des Musikers Stephan Eicher zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Film der Regisseurinnen Karoline Arn und Martina Rieder.

Die beiden Bernerinnen erzählen eine besondere musikalische Geschichte, die sie in die Bündner Berge führt, nach Obervaz. Hier wurden im 19. Jahrhundert viele Menschen eingebürgert, die damals als «Vaganten» oder «Zigeuner» abgestempelt waren. Auf die Familien Waser und Moser hatten es Fürsorger, manche Pfarrer und das unsägliche rassistische «Hilfswerk» namens «Kinder der Landstrasse» der Pro Juventute besonders abgesehen.
Mit Gewalt wurden den Jenischen bis 1973 die Kinder weggenommen, um sie umzuerziehen. Diese Geschichte spielt hinein in den Film. Sie ist Teil des Lebens der Protagonisten, die eigentlich die Hüter einer einmaligen Volksmusik-Kultur sind. Stefan Eichers Bruder Erich findet in der Landesbibliothek die jenischen Wurzeln seiner Familie, die von Mosers, Wasers und Kolleggers abstammt, bekannt für ihre legendäre Tanzmusik.

Der Film zeigt, wie diese faszinierende und leidenschaftliche Musiktradition die Schweizer Ländlermusik nachhaltig geprägt hat und bis heute kreativ weiterlebt. In alten Schweizer Mollmelodien kann man osteuropäische Musiktraditionen heraushören. Der Einfluss von Fahrenden ist auch in einer Appenzeller Masollke oder dem Hackbrett als dem wichtigsten Alpeninstrument vor dem Schwyzerörgeli zu spüren. Und auch Westschweizer Tänze zeigen Verwandtschaft mit Tsigan-Melodien.
Nun belegt «unerhört jenisch», wie die urschweizerische Bündner Volksmusik ohne die Einflüsse des jenischen «Zwicks» nie ihre archetypische Kraft bekommen hätte. Trotz allen traurigen Hintergründen schafft der Film eine gelöste Atmosphäre und einen neuen beschwingten Zugang zur Schweizer Volksmusik. Grossartig und inspirierend.

Karl Johannes Rechsteiner