Teil einer mehrteiligen Installation des Zollikofener Künstlers Ernst Jordi von 1996 mit Findlingen aus dem Maggiatal. Foto: Pia Neuenschwander
Franziskus – Sonnengesang in Zollikofen
Franzikus gibt und singt. Die Jahresserie #heiligbern
Franziskus, ein reicher Kaufmannssohn, hat seinem Leben eine ganz andere Richtung gegeben. Was erst verspottet wurde, erntete bald grosse Bewunderung und Zuneigung. Seine selbstgewählte Armut und die Liebe zur Schöpfung klingen bis heute an. In Zollikofen erinnern Granitblöcke an die Essenz seiner Botschaft.
von Nicole Arz
Nackt war Franziskus aus der Stadt gerannt. Der Vater hatte ihn zuvor wegen des Verkaufs einiger Tuchballen, mit dessen Erlös der Sohn eine kleine Kirche ausserhalb von Assisi wieder instandsetzen wollte, zur Rede gestellt.
Franziskus hatte sich in diesem Moment nicht nur seiner Kleidung entledigt, sondern auch der Verbindungen zu seiner reichen Herkunftsfamilie und seiner Ansprüche auf deren Geld.
Ökonomischer Aufschwung
Der Gasthof Bären in Unterzollikofen steht heute kurz vor dem Abriss. Vor 70 Jahren feierten im dortigen Kegelbahnsaal die Gläubigen aus Zollikofen und Münchenbuchsee ihre Gottesdienste. Die Gemeinschaft war nach dem Zuzug vieler Gastarbeiter:innen aus Italien gross geworden, und der Bau einer eigenen Kirche rückte in den Fokus – «Zelt Gottes» hiess das Siegerprojekt eines Berner Architekturbüros.
Auch das Norditalien des Hochmittelalters war geprägt vom ökonomischen Aufschwung, vom Bevölkerungswachstum und von grossen sozialen Unterschieden. Er habe nur noch einen Vater, und das sei der Vater im Himmel, soll Franziskus gesagt haben, um mit der gleichen Hingabe, wie er das sorglose Leben in Reichtum und Gesellschaft genossen hatte, ein Leben in Armut und Barmherzigkeit zu leben.
Es ist diese Einstellung zum Leben, die Doris Hagi und Johannes Maier, Gemeindeleiterpaar in Zollikofen, faszinierend finden und von der eine grosse Anziehungskraft ausgeht: jede Phase des Lebens in Begeisterung und Gegenwärtigkeit zu leben und sich letztlich bewusst zu sein, dass der eigentliche Reichtum nur im Inneren zu finden ist.
Glockengeläut
Mit einer solch fröhlichen Gelassenheit soll Franziskus den Spott ertragen haben, den seine Aktion nach sich gezogen hatte, dass der sich schon bald in Respekt, Zuneigung und tiefe Verehrung verwandelte. Fortan hätten die Menschen nicht nur gejubelt, wenn Franziskus in die Stadt gekommen sei, sondern sogar die Glocken geläutet.
Wenn in Zollikofen die Glocken läuten, so feiert eine Gemeinde ihren Gottesdienst, für die Franziskus ebenfalls von grosser Bedeutung ist. «Pace e bene», Frieden und Wohlergehen, diese wichtigen Anliegen von Franziskus als Grundzüge für ein gelingendes Zusammenleben möchten Doris Hagi und Johannes Maier auch in der Pfarrei erfahrbar machen, wie sie sagen. Und nennen als weiteren Berührungspunkt mit «ihrem» Heiligen dessen Liebe zur Schöpfung: Es ist uns ein grosses Anliegen, nicht nur in Gottesdiensten oder in der Katechese vom respektvollen Umgang mit der Schöpfung zu sprechen, sondern ihn auch vorzuleben.»
Franziskus hatte mit seinem Wirken verhindert, dass sich die Kirche seiner Zeit von der Armutsbewegung entfremdet hatte, und ihr damit neue Formen eines herzlichen und verbindlichen Glaubenslebens erschlossen.
Wer wäre er heute? Für Doris Hagi und Johannes Maier ist klar: Franziskus wäre auch heute ein freier Geist und eine authentische Persönlichkeit, der die eigenen Ideale vorlebt. «Er wäre einfach Franziskus, vermutlich mit einem anderen Namen.»