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Fremdenfeindlichkeit, die –

18.03.2020

Gefährlich wird Angst, wenn sie sich mit falscher Vernunft tarnt

Die Kirche mischt sich seit jeher in gesellschaftliche Diskussionen ein. Das begrüssen einige, andere finden, der Platz der Kirche sei sicherlich nicht im politischen Diskurs. Manche wünschen sich eine Kirche mit gesellschaftspolitisch klaren Haltungen, andere wollen Aussagen zu Wirtschaft und Umwelt, wieder andere wollen gar keine politische Haltung, sondern eine politikfreie Zone Kirche.

Zumindest Letzteres ist nicht wirklich möglich: Schon die Vorstellungen von Familien- und Gesellschaftsstruktur sind inhärent politisch. Leute, die eine «apolitische» Kirche verlangen, wollen meist einfach eine Kirche, die sich auf ihre alten Themen Familie und Sexualität beschränkt und sich aus sozialen Fragen schön raushält.

Ein solches Thema ist die virulente Flüchtlingskrise. In der Schweiz und Deutschland zeigt sich exemplarisch, wie sich die Kirche einsetzen kann für Verfolgte und Flüchtende. Da Jesus selbst Flüchtender und politisch Verfolgter war, da die Christ*innen selbst in den ersten Jahrhunderten als gesellschaftsfeindliche Extremist*innen verfolgt wurden, und da die Bibel keine menschengemachten, notabene politisch und wirtschaftlich motivierten Trennungen wie Nationen oder Rassen für relevant erachtet, lassen sich geschlossene Grenzen nicht wirklich rechtfertigen.

Die Stelle bei Gal 3,28 ist berühmt: «Da gibt es keine Juden oder Nichtjuden mehr, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen, denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zu Einem geworden». Natürlich – die Bibel plädiert hier nicht für eine Auflösung von Unterschieden oder «Gleichmachung», ein Vorwurf, den jede Person zuverlässig hören muss, die sich für Gleichstellung einsetzt. Nein, hier geht es um Mitgefühl, das über Religion und Herkunft, «Überfremdung» und «christliches Abendland» hinausgeht. Angst ist ein grauenhafter Ratgeber. Trotzdem ist sie verständlich. Gefährlich wird sie, wenn sie sich mit falscher Vernunft tarnt – was sie als Fremdenfeindlichkeit immer tut und tun wird.

Sebastian Schafer