«Klassische Werke sind wie Bücher». René Meier, Organist in Bern-Bethlehem und Bümpliz. Foto: Pia Neuenschwander
«Für mich hat jede Musik Pep»
René Meier ist Organist mit Herzblut
René Meier besucht jede Woche mindestens vier Gottesdienste. Als Hauptorganist gestaltet er diese seit 25 Jahren musikalisch mit. Dazu arbeitet er auch mit Kindern und Jugendlichen, Solist:innen und dem Kirchenchor. Ein Jubiläumsgespräch mit dem Vollblutmusiker aus Bern-West.
Interview: Anouk Hiedl
«pfarrblatt»: Die Orgel gilt als Königin der Instrumente – Kirchenmusik hingegen oft als verstaubt. Inwiefern steckt, nebst der Kirche, auch die Kirchenmusik in einer Krise?
René Meier: Kirchenmusik umfasst heutzutage alle Bereiche der musikalischen Literatur. Da kann man auf einen enormen Fundus zugreifen. Ich erlebe die Pfarreien kirchenmusikalisch als sehr offen. Schwierigkeiten entstehen eher mangels allgemeiner gesellschaftlicher Unterstützung. Vielerorts lässt deshalb die musikalische Qualität nach, beispielsweise aufgrund des Mitgliederschwunds bei Chören.
Wie bringen Sie Pep in die Kirche?
Für mich ist jegliches musikalische Werk ein «Pep-Geber». Als Interpret stehe im Dienst der Musik. Wenn etwa Jugendliche in einem Gottesdienst mitwirken und ich sie begleite, stehe nicht ich im Vordergrund, sondern ihr Engagement. Dank der Kirche ist es überhaupt erst möglich, diese Zusammenarbeit umzusetzen.
Was reizt Sie an der Orgel- und Kirchenmusik?
Für mich sind die Möglichkeiten der Orgel, in Verbindung mit der Tradition und der musikalischen Literatur bis in die Gregorianik zurück, einfach überwältigend! Ohne die Kirche gäbe es die Orgel, wie wir sie heute kennen, sowie die dazugehörige musikalische Literatur nicht. Als Interpret sind mir Gottesdienste und Konzerte am liebsten. Konzertprogramme richte ich in der Regel thematisch aus und ziehe die Wünsche der Zuhörenden und ihre Erwartung nach Neuem mit ein.
Sie spielen von Barock über Romantik bis zu Jazz und Pop alles. Welche Musik berührt Sie besonders?
Als Interpret bin ich vor allem klassischen Werken zugetan. Es braucht Interpret:innen, um diese handgeschriebenen Notationen hörbar zu machen. Bei modernen Werken sind die akustischen Aufnahmen in ihrer Individualität einzigartig, Mani Matters Lieder beispielsweise. Diese brauchen eigentlich keine Neuinterpretation, doch es ist schön, sie zu spielen. In diesem Sinne sind klassische Werke wie Bücher, die man liest, und moderne Musikstücke wie Filme, die man fixfertig schauen bzw. hören kann.
Sie haben vorgängig Klavier studiert und Schlagzeug gespielt. Schaffen es alle guten Pianist:innen, auch gut mit den Füssen zu orgeln?
Um Musik zu machen, ist die individuelle Klangvorstellung zentral. Diese leitet die Technik, die für jedes Instrument unterschiedlich ist. Was qualitativ erreicht wird, hängt von der eigenen Klangvorstellung und dem Willen ab, dies auch umzusetzen.
Welche Orgeln spielen Sie am liebsten?
Ich unterscheide klar zwischen der musikalischen Aussage und dem Klang des Instruments. Die Orgeln in St. Antonius und St. Mauritius sind mir am zugänglichsten, das macht meine Ausdrucksmöglichkeiten dort am unmittelbarsten – genau das liebe ich! Klanglich ist jede Orgel eigen und unvergleichbar, da kann ich mich nicht festlegen.
René Meier, 57, studierte Klavier bei Dory Huber-Ritschard und Tomasz Herbut mit Schwerpunkt Liedbegleitung. Nach weiteren Studien bei Daniel Glaus, Heinz Balli und Emmanuel Le Divellec schloss er das Konzertdiplom für Orgel mit Auszeichnung ab. René Meier spielt seit 40 Jahren Orgel und ist seit 25 Jahren Hauptorganist der Pfarreien Bern-Bethlehem und Bümpliz. Daneben unterrichtet er an der Neuen Mittelschule Bern und an der Musikschule Jegenstorf und gibt solistische und kammermusikalische Konzerte im In- und Ausland.
Nächstes Konzert zum 150. Geburtstag des Komponisten Max Reger
17. Februar 2023, 19.30, Pfarrei St. Antonius, Bern-Bümpliz
Kirchenchor St. Antonius und Johanneschor Bern, René Meier (Orgel), Felix Zeller (Leitung)