Pater Gojko Zovko kennt sein Volk und die Schweiz und weiss um die Eigenheiten von Integration und Assimilation. Foto: Pia Neuenschwander

«Geld macht die Kirche kaputt»

05.02.2024

Ein Gespräch mit Pater Gojko Zovko, dem ehemaligen Leiter der kroatischen Mission

Pater Gojko Zovko hat die kroatische katholische Mission in Bern 19 Jahre lang geleitet. Seit Dezember pensioniert, blickt er auf einen stetigen Kampf für Gerechtigkeit zurück.

von Anouk Hiedl

Gepflegt erscheint Gojko Zovko zum Gespräch und kommt gleich zur Sache. Lang, energisch und mit funkelnden Augen erzählt er von der Geschichte seiner Heimat, der Situation des kroatischen Volks und über sein Leben und seine kirchliche Arbeit.

Als Kind wurde er in der Schule kommunistisch und atheistisch erzogen. Religion galt gemäss Marx als «Opium des Volks», das half, «dass die Armen die Reichen nicht umbrachten». Die Kirche sei damals die einzige nationale Kraft gewesen. Das motivierte Gojko Zovko in den 1980ern, Priester zu werden.

Pater Gojko hat die kroatische Missionszeitung «Movis» und zwei Bücher mitgebracht, die ihm wichtig sind. Eines thematisiert die Freiheitssuche und die Spuren von Kroat:innen in der Schweiz. Das andere stammt aus der Feder seines Studienfreunds Georg Gänswein, dem ehemaligen Privatsekretär Papst Benedikts XVI. Mit beiden sass Gojko Zovko am Tisch, als er in Deutschland Philosophie, Theologie, Pädagogik und Geschichte studierte.

Die Kriege in Ex-Jugoslawien seien eine schwere Zeit gewesen, auch für die Kirche. In dieser Zeit habe sich die Zahl seiner Landsleute in der Schweiz verdoppelt. Als Kroatien 1991 seine Unabhängigkeit erklärte, habe sich sein Vater wie ein kleines Kind darüber gefreut: «Ihr wisst nicht, wie es ist, einen eigenen Staat zu haben.» Seither hätten eine Million Kroat:innen ihre Heimat verlassen, sagt Gojko Zovko mit Bedauern.
 

So viele wandern aus, statt ihre Situation vor Ort zu verbessern!


«In meinem Dorf steht heute die Hälfte aller Häuser leer. Meine Landsleute gehen ins Ausland und arbeiten dort oft für tiefe Löhne. In Kroatien wiederum tun dies Menschen aus Nepal oder Afghanistan. So viele wandern aus, statt ihre Situation vor Ort zu verbessern – das ärgert mich!»


Pater Gojko lebt seit 45 Jahren im deutschsprachigen Raum. Er habe nie geplant, in die Schweiz zu kommen. Doch noch heute merke er, dass er hier nötiger sei als in seiner Heimat, wo es genug Priester gebe. Hier setze er sich «nicht nur für Kroaten, sondern für alle» ein. In kirchlichen Gremien habe er nie Angst gehabt, etwas zu sagen. Seine Stimme sei wichtig. Dass die katholische Landeskirche anderssprachige Gemeinschaften nicht gleichbehandelt wie Kirchgemeinden, ist ihm ein Dorn im Auge.

«Es gibt gute Priester, die schlechte Menschen sind. Und es gibt kirchliche Funktionäre, die schlechte Katholiken sind – das ärgert mich!» Das Geld mache die Kirche kaputt. «Wahre» Kirche entfalte sich mit freiwilligen Beiträgen der Gläubigen, so wie einige Kantone es bereits handhaben.

Als 28-jähriger Jugendseelsorger lernte Gojko Zovko Ski fahren. 1999 kam er als Priester ins Wallis und leitete ab 2005 die kroatische katholische Mission Bern. Der Pater kennt sein Volk und die Schweiz, und er weiss um die Eigenheiten von Integration und Assimilation. «In Kroatien beichtet man jede Woche. Oft habe ich erklärt, warum man das hier nicht tut. Eucharistie funktioniert auch, ohne zu beichten, wenn man bereit ist, sich zu verbessern.»

Die Arbeit mit Jugendlichen ist Gojko Zovko nach wie vor wichtig. Er begleitet die Jungen der Mission, fragt, was sie machen wollen, und ist stolz auf jene, die hier einen Hochschulabschluss gemacht haben. Nun ist Pater Gojko pensioniert und hilft in den zwölf kroatischen Missionen der Schweiz und im Pastoralraum Seeland «ohne Vertrag, aber als arbeitsloser Priester» aus.

In Bern hat er sich feierlich verabschiedet, und in seinem Weihnachtsbrief blickt er auf 7000 Tage als Missionsleiter zurück, dies in Anlehnung an die «7000 Tage in Sibirien» eines jugoslawischen Kommunisten. Trotz vieler Kämpfe um Gerechtigkeit ist Gojko Zovko dankbar. Die kroatische Mission war seine «grosse Familie».

Nun, mit 68 Jahren, will er ein Buch übers kroatische Volk schreiben, «um uns für die Schweizer verständlich zu machen», sagt er, und wieder funkeln seine Augen. «Als Nationalist bin ich damals Priester geworden. Heute wäre ich Politiker.»