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Geständnis und Unverständnis

31.10.2018

«Bei Geld hört die Freundschaft auf», sagt man - oder vielleicht manchmal einfach das Verständnis

Ich möchte meine letzte Kolumne nutzen, um zwei Geständnisse zu machen. Erstens: Ich bin reich. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich schäme mich nicht dafür. Es ist mir bloss ein Bedürfnis, mal darüber zu reden – sonst hat man ja so wenig Gelegenheit dazu, es ist fast unschicklich, das zu sagen oder gar Zahlen zu nennen. Hier aber, im «pfarrblatt», muss ich kein Blatt vor den Mund nehmen. Also: Ich bin reich und werde ständig reicher. Mein Barvermögen beläuft sich aktuell auf 5 939.34 Franken, monatlich kommen 5 619.85 Franken brutto hinzu. Davon gehen natürlich noch Steuern und Sozialbeiträge ab, aber – damit Gardybin ich schon beim zweiten Geständnis – die zahle ich wirklich gern. Kein Witz! Ich leiste die hiesigen Abgaben mit Freude – und zwar nicht, weil sie viel niedriger sind als zum Beispiel in Deutschland. Ich bin einfach Fan vom demokratischen Rechts- und Sozialstaat, und mir leuchtet ein, dass es den nicht umsonst gibt. Gute Strassen, Spitäler, Schulen, Wasserspiele auf dem Bundesplatz, Kampfjets, Sonntagsmessen – alles auch mit meinen Steuern bezahlt. Die öffentlichen Budgets werden sorgfältig erstellt und kontrolliert, die Korruption ist gering. Das Gemeinwesen funktioniert. Toll!

Völlig freud- und humorlos werde ich hingegen beim Thema Steuerhinterziehung. Betroffene sprechen lieber von Steuervermeidung – und beginnen den Betrug schon beim Begriff. Denn es wird ja kein Übel abgewendet, sondern getan: Der Einzelne verweigert der Allgemeinheit das, was sie legitim und demokratisch legitimiert von ihm fordert. Er nutzt die Vorzüge eines intakten Staates, trägt aber nicht seinen Teil dazu bei. Wer wagt es schon, auf einer Hochzeit kräftig beim Buffet zuzulangen und mit der Braut bzw. dem Bräutigam zu tanzen, aber kein Geschenk mitzubringen? Eben. Steuerhinterziehung hingegen gilt immer noch als Kavaliersdelikt. Früher sagte man mir: «Das verstehst du schon noch, wenn du mal Geld verdienst.» Jetzt bin ich reich – aber es bleibt mir ein Rätsel.

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Jonathan Gardy
27, wuchs im Ruhrgebiet auf. Im aki Bern kam zur Franko- fonie eine manifeste Helvetophilie. Seit 2017 lernt und wirkt der Theologe in der Pfarrei Guthirt bei Bern.