«Wie ist euer Glaube,» fragten die chinesischen Gastgeber. Foto: Nadine Platzek / photocase.de
Glaube?
Wenn uns die Frage nach dem Glauben in Verlegenheit bringt.
Ein Freund von mir hat einen Freund, der Computer-Ingenieur ist und mit einem Team in die Volksrepublik China flog, um dort über die Gründung einer Firma zu verhandeln. Die Chinesen eröffneten die Verhandlungen mit der Frage an die Europäer: Was ist euer Glaube? Völlig überrascht und perplex sahen die Europäer einander an und mussten zuerst über ihren Glauben nachdenken und Auskunft geben. Die Chinesen bemerkten die Verlegenheit und erklärten: Das zu wissen ist für uns Voraussetzung zu einer Zusammenarbeit.
Die Frage nach dem Glauben ist für uns vermutlich komplexer als für jene chinesischen Geschäftsherren. Eine ganze Kaskade von Rückfragen löst sie aus: Ist damit die Palette unserer moralisch-ethischen Überzeugungen gemeint? Unsere persönliche Spiritualität, sozusagen die Kraft der Liebe, die uns trägt und nährt? Das Vertrauen, das sich erst in Krisenzeiten so richtig als Ressource oder als Chimäre entpuppt? Oder die widerständige Hoffnung im Schlepptau der Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht? Die Basis unseres kirchlichen Credos, das nicht so sehr den persönlichen Glauben, sondern zeit- und weltumfassend Gott bekennt? Oder nur der Kodex unseres religiösen Sprachspiels, das wir uns irgendwann angeeignet haben und bei Bedarf zum Besten geben, um wenigstens nicht in Verlegenheit zu geraten? Pfr.
Thomas Wild, ref. Co-Leiter Seelsorge Inselspital