Rund 40 Millionen Franken zahlen Unternehmen im Kanton Bern jährlich an die Landeskirchen. Foto: Sylvia Stam
Bern streicht Kirchensteuer für Firmen vorerst nicht
Motion zur Kirchensteuer für Unternehmen wurde zu Postulat umgewandelt
Die Kirchensteuer für Unternehmen im Kanton Bern steht nicht zur Abstimmung – vorerst. In letzter Minute wurde die Motion zu einem Postulat abgeschwächt. Der Grossrat wird nun prüfen, was die Kosenquenzen wären, wenn die Kirchensteuer für Unternehmen freiwillig würde. Das Thema ist also nicht vom Tisch. «Wir Landeskirchen werden in den nächsten Monaten viel zu reden und zu verhandeln haben», sagt die Berner Landeskirchen-Präsidentin, Marie-Louise Beyeler.
Annalena Müller
Quasi in letzter Minute zog FDP-Grossrat Carlos Reinhard die Reissleine und wandelte seine Motion in ein weniger verbindliches Postulat um. Dieses wurde mit grosser Mehrheit angenommen. Die Erleichterung darüber sei im Berner Rathaus schon fast physisch spürbar gewesen, schreibt «Der Bund». Begrüsst wird die Umwandlung von Politiker:innen und Kirchenvertreter:innen.
Prüfen, nicht entscheiden
Die Abschwächung von Motion zu Postulat bedeutet zunächst einmal: Der Regierungsrat wird die Folgen prüfen, wenn Kirchensteuern für Unternehmen freiwillig würden. Eine Entscheidung über diese Freiwilligkeit wird er vorerst hingegen nicht treffen.
Die zuständige Regierungsrätin Evi Allemann (SP) hatte die Abschwächung bereits im Vorfeld der Debatte beantragt. Auf Anfrage teilt Allemann mit: «Ich begrüsse, dass der Grosse Rat unserem Antrag gefolgt ist. Es ist richtig zu prüfen, ob die Kirchensteuerpflicht für juristische Personen noch zeitgemäss ist. Jetzt werden wir eine sorgfältige Analyse machen und verschiedene Varianten für eine Anpassung klären. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Landeskirchen enorm viel für unsere Gesellschaft leisten, zum Beispiel für Jugendliche, ältere Menschen oder Armutsbetroffene. Und auch die zunehmende Vielfalt der Religionslandschaft ist mitzubedenken.»
Es geht nicht nur um Geld
Laut Motionär Reinhard geht es bei der Debatte um Grundsatzfragen: Wieso können Menschen aus der Kirche austreten, aber Unternehmen, Organisationen und Vereine nicht? Ist es fair, wenn eine muslimische Firmeninhaberin für die römisch-katholische, die christ-katholische und die reformierte Kirche Steuern zahlen muss?
Aber auch: Wie sollen Kirchen ihre gemeinnützigen Aufgaben wahrnehmen, wenn ein Fünftel ihrer Einnahmen wegfällt? Konkret geht es um 40 Millionen Franken, welche Unternehmen im Kanton Bern pro Jahr an die Landeskirchen zahlen. Diese finanzieren mit diesen Geldern ihr soziales Engagement. Für kultische Zwecke, zum Beispiel Gottesdienste, dürfen die Steuern nicht verwendet werden, wie Marie-Louise Beyeler jüngst in einem Interview mit kath.ch erläuterte.
Stimmvolk
Für den Motionär war die Umwandlung «ein Zeichen des Entgegenkommens». Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten sich eine Auslegeordnung und Konzept gewünscht, wie dieses Anliegens umgesetzt werden kann, sagt Reinhard gegenüber kath.ch.
«Da es eh mehrere Gesetze und sogar wahrscheinlich eine Verfassungsänderung betreffen könnte, sind auch mehrere Abstimmungen im Rat und eventuell eine Volksabstimmung notwendig. Der Rat setzte aber schon ein starkes Zeichen, diese Freiwilligkeit der juristischen Personen zu ermöglichen. Gute Änderungen brauchen in der Politik manchmal kleine Schritte», so der Berner Grossrat.
Thema bleibt
Für die römisch-katholische Landeskirche bedeutet die Umwandlung einen Aufschub, ändert aber nichts Grundlegendes. «Es ist mir bewusst, dass das Thema Kirchen und Kirchensteuern in der Berner Politik nicht vom Tisch ist. Wir Landeskirchen werden in den nächsten Monaten und Jahren viel zu überdenken, zu reden, zu verhandeln haben», sagt die Präsidentin, Marie-Louise Beyeler.
Sicher ist: Das Thema Kirchensteuern für Unternehmen wird die Berner Politik weiter beschäftigen. Und in der Herbstsession steht gleich die nächste kirchliche Grundsatzdebatte an: Dann wird der Grosse Rat über die Kantonsbeiträge an die Landeskirchen für die kommenden sechs Jahre befinden. kath.ch