Unerschrocken. Rita Jost. F: P. Neuenschwander

Grande Dame tritt ab

27.01.2016

Nach 26 Jahren Arbeit beim Regionaljournal Bern des Schweizer Radios stiess die Journalistin Rita Jost vor elf Jahren zur Redaktion der reformierten Monatszeitung «saemann» und erlebte deren Umstellung zu «reformiert.» Nun wird sie Ende Januar pensioniert. Ein Gespräch über Ökumene und Journalismus.

«pfarrblatt»: Rita, wie hat dein Abenteuer mit «refomiert.» begonnen?
Rita Jost:
Den ersten Kontakt hatte ich über die zVisite, unsere gemeinsame interreligöse Zeitung, die zur Woche der Religionen erscheint. Ich musste fürs Regi einen Beitrag machen über die erste Ausgabe und kamin Kontakt mit euren Redaktionen. Martin Lehmann und Samuel Geiser, die damaligen saemann-Redaktoren haben mich anschliessend gefragt, ob ich als freie Mitarbeiterin ab und zu für sie schreiben würde. Ich sagte zu. Daraus ergab sich dann später die feste Anstellung.

Was sind deine Erfahrungen mit der Ökumene?
Ich bin ur-reformiert aufgewachsen, meine Eltern hatten wohl kaum Katholiken unter ihren Bekannten. In der Sekundarschule fielen mir dann erstmals die etwa fünf katholischen Gspänli auf. Sie besuchten einen anderen Religionsunterricht und – was wir äusserst spannend fanden – mussten beichten gehen. Im Gymer spielte die konfessionelle Zugehörigkeit dann gar keine Rolle mehr. Heute verkehre ich in der Freizeit mit Leuten, die mehrheitlich gar keiner Kirche mehr angehören. Und ich stelle immer wieder fest: Wenns um Glaubens- und Kirchenfragen geht, verstehe ich mich mit allen besser als mit den Hardcore-Atheisten.

Die zVisite hat sich dann von einer rein christlichen Ökumene in eine interreligiöse entwickelt.
Ja, das war ganz stark. Die Begegnung mit muslimischen Journalistinnen, Juden, Christkatholiken, Katholiken war sehr bereichernd und interessant und hat uns alle geprägt. Wir haben uns mit verschiedenen Themen und ihrer Bedeutung in den Religionen auseinandergesetzt: Essen, Sterben, Jugend, Alter, Humor – um nur einige zu nennen. Und wir haben uns an langen Redaktionssitzungen hier bei euch immer besser kennengelernt. Das gehört für mich zum Wertvollsten überhaupt aus dieser Zeit.

Wie hast du die innerchristliche Ökumene erlebt?
In lebhafter Erinnerung ist mir natürlich die gemeinsame Erklärung von «saemann» und «pfarrblatt» zu «Dominus Jesus» anno 2000. Das römische Schreiben, das uns Reformierten das Kirche Sein absprach und uns nur als kirchliche Gemeinschaft anerkannte, hat mich damals ziemlich irritiert. Und euer gemeisames Hinstehen fand ich mutig. Es hat euch ja auch ziemlichen Ärger beschert ...

Wir wurden vor den Bischof zitiert ...
Ja, und sogar einen «Zischtigsclub» im Schweizer Fernsehen gab es dazu. Meine späteren Kollegen machten mit dem damaligen Bischof Kurt Koch ein Interview, das dieser aber dann zurückzog. Euer unerschrocken journalistisches Vorgehen hat mich beeindruckt. So war es ja auch später. Da haben wir immer am gleichen Strick gezogen.

Ihr habt ja auch nicht nur ein entspanntes Verhältnis zu euren Kirchenoberen. Und es läuft gegen «reformiert.» aktuell ein Vorstoss im bernischen Grossen Rat. «reformiert.» sei tendenziös und verschleudere Kirchensteuern.
Vorab: Wir pflegen zu allen Seiten, auch zur reformierten Synode, ein journalistisch-distanziertes, kritisches Verhältnis. Und zur Motion ist zu sagen: «reformiert.» ist ein unabhängiger Verein. Wir sind nicht «die Kirche» und betonen das auch immer. Wir sehen nicht ein, weshalb sich der Grosse Rat mit dieser Frage beschäftigen soll.

Was ist deine Meinung dazu?
Ich finde die Aufregung unbegründet und auch etwas lächerlich. Wir haben Pressefreiheit und Vereinsfreiheit. Es scheint in Mode zu sein, die Kirchen bzw. was nach Kirche riecht, anzugreifen.

Hand aufs Herz, ist eure Haltung: viel Feind, viel Ehr?
Wir suchen nicht vorab die Konfrontation, aber wir wollen sicher kein PR-Blatt der Kirchenleitungen sein.

Wie erlebtest du die Umstellung vom «saemann» zu «reformiert.»?
Das Projekt war eine Riesenherausforderung. Dass wirs geschafft haben und immer noch zusammen sind, ist ein Erfolg. Auch wenn der Koordinationsaufwand riesig ist. Aber wir haben mit der Auflage von über 700000 Exemplaren schon viel mehr Gewicht. Das sage ich als anfängliche Skeptikerin des Projekts.

Zum Schluss noch die Gretchenfrage aus «reformiert.»: Wie hast du’s mit der Religion?
Ich bin in meine Religion hineingeboren worden. Wäre ich ein paar Kilometer weiter westlich aufgewachsen, wäre ich wohl katholisch gross geworden. Ob ich gläubig bin? Wie soll ich das wissen? Was heisst das genau? Dass ich alles glaube, was in der Bibel steht? Dann wär ich’s nicht. Aber: Glaube ist für mich das, was Menschen Kraft ihrer religiösen Überzeugung machen. Nimm zum Beispiel Frau Merkel. Ihre Haltung zu den Flüchtlingen kommt nicht von ungefähr. Sie ist im einem Pfarrhaus aufgewachsen. So schlecht kann eine solche Prägung also nicht sein.

Rita Jost, wir danken dir herzlich für die freundschaftliche, langjährige Zusammenarbeit. Du freust dich nicht auf die Pensionierung, deshalb haben wir nicht danach gefragt. Wir wünschen dir auch deshalb alles Gute!

Jürg Meienberg, Andreas Krummenacher