«Wir wollen das Thema enttabuisieren», sagt Rita Famos, Ratspräsidentin der EKS, über die geplante Missbrauchsstudie. Foto: Pia Neuenschwander
Grosse Missbrauchs-Umfrage der reformierten Kirche
Die reformierte Kirche will Missbrauch durch Befragungen untersuchen.
Der Rat der Evangelisch-Reformierten Kirche plant eine grossangelegte Umfrage zu sexuellem Missbrauch in der Schweiz. Die Dunkelfeldstudie soll mehr Fälle ans Licht bringen, als Akten dokumentiert haben. Eine gemeinsame Umfrage mit der katholischen Kirche scheiterte offenbar am Geld.
Die Studie soll auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage und einer Beteiligungsumfrage basieren, heisst es in einer Mitteilung der EKS. Man nennt dies eine so genannte «Dunkelfeldstudie». Auf diese Weise sollen auch Fälle ans Licht gebracht werden, die bisher im Dunkeln lagen, also nicht bereits aktenkundig sind.
Befragt werden 20'000 zufällig ausgewählte Personen aus der Schweizer Bevölkerung. Diese sind somit nicht ausschliesslich evangelisch-reformierter Konfession, und erfasst werden sollen auf diese Weise auch Fälle sexuellen Missbrauchs, die nicht im kirchlichen Kontext stattgefunden haben. Dadurch soll das Ausmass des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Umfeld präziser erfasst und mit anderen gesellschaftlichen Bereichen verglichen werden können.
Resultate Ende 2027
Zudem will die Studie, die auf drei Jahre angelegt ist, die Form und Intensität der Taten, die Täterschaft und die spezifischen Umstände des sexuellen Missbrauchs in den Kirchen sowie die Folgen für die Betroffenen erheben. Zusätzlich können Betroffene in einer öffentlichen Mitmach-Umfrage anonym über ihre Erfahrungen berichten und sich zu den oben aufgeführten Fragestellungen äussern, sofern sie dies möchten. Die Synode wird im Juni über die Studie abstimmen. Mit der Studie beauftragt würde das Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik ZRWP an der Universität Luzern. Das Ergebnis der Umfrage soll Ende 2027 vorliegen.
Im Unterschied zur Pilotstudie der Katholischen Schweizer Kirche basiert diese Studie nicht auf Personalakten und Archivdokumenten. Dies wäre aufgrund der föderalistischen Struktur der 25 Mitgliederkirchen zu kompliziert und die Resultate wären zu wenig aussagekräftig, begründet EKS- Rita Famos den Vorschlag in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Keine ökumenischen Trägerschaft
Eine solch quantitative Studie hatte das Team um Monika Dommann und Marietta Meier von der Universität Zürich gefordert, welche die Pilotstudie zu Missbrauch in der Katholischen Kirche Schweiz durchgeführt haben. Auf Nachfrage von kath.ch schreiben sie nun: «Während es bei qualitativen Studien wie der unseren sinnvoll ist, sich zunächst auf einen Bereich – hier die katholische Kirche der Schweiz – zu konzentrieren, drängt sich bei Dunkelfeldstudien ein vergleichendes Vorgehen von Beginn weg auf. Aus wissenschaftlicher und finanzieller Perspektive empfiehlt es sich, bei einer Umfrage gleich verschiedene Religionszugehörigkeiten zu berücksichtigen.»
Eine ökumenische Trägerschaft der Studie halten auch weite Teile der Kirchenspitzen für sinnvoll. Entsprechend gab es in den vergangenen Monaten Gespräche zwischen Vertreter:innen der EKA, der Schweizer Bischofskonferenz und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ). Gemäss Recherchen von kath.ch fehlt es jedoch katholischerseits am nötigen Geld für eine gemeinsame Trägerschaft. Wegen der laufenden Studie und der seit September 2023 angestiegenen Genugtuungsleistungen würde die RKZ mehr Zeit brauchen, um bei den Landeskirchen zusätzliches Geld für die Finanzierung einzuwerben, so RKZ-Generalsekretär Urs Brosi gegenüber kath.ch. kath.ch/sys