Grosser Rat Bern: Kein Maulkorb für die Kirchen bei politischen Themen

Die Berner Landeskirchen erhalten weiterhin Kantonsgelder für gesamtgesellschaftliche Leistungen.

Die Kantonsgelder für gesamtgesellschaftliche Leistungen der Kirchen ab 2026 winkte der Grosse Rat Bern durch. Zu reden gab ein Antrag, der den Kirchen Zurückhaltung bei politischen Abstimmungen auferlegen wollte. Er wurde äusserst knapp abgelehnt.

Sylvia Stam

Aufatmen bei den Landeskirchen: Der Grosse Rat des Kantons Bern winkte am Dienstag in seiner Herbstsession die Gelder des Kantons an die Landeskirchen ohne ernsthafte Kritik durch. Mit 145 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen stimmte das Berner Kantonsparlament dem Antrag der Regierung zu, den Landeskirchen für die Jahre 2026 bis 31 einen Kredit von knapp 29,4 Mio Franken pro Jahr zu gewähren. Für die römisch-katholische Landeskirche sind dies rund 6,6 Mio Franken jährlich.

Die römisch-katholische, die evangelisch-reformierte und die christkatholische Landeskirche hatten gegenüber dem Kanton erstmals nachweisen müssen, welche gesamtgesellschaftlichen Leistungen sie erbringen. Für die römisch-katholische Landeskirche waren dies in den Jahren 2020 und 2021 im Durchschnitt Leistungen in der Höhe von über 40 Millionen Franken. In den beiden Jahren wurden knapp 472'500 Stunden freiwilliger Arbeit geleistet.

Viel Lob und Dank

Die Berichte an sich wurden von allen Parteien lobend zur Kenntnis genommen. Hervorgehoben wurden insbesondere die vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Von einem «historischen Tag im Verhältnis von Kirche und Staat» war die Rede (Philippe Messerli, EVP), den Kirchen wurde vielfach  gedankt für ihre enormen Leistungen für die Gesellschaft, sei dies in den Bereichen Jugend, Senior:innen, Kranke, Armutsbetroffene oder Sexarbeiterinnen. Wenn die Kirchen dies nicht täten, führte das zu einer hohen Belastung des Sozialsystems, gab  Nicole von Greyerz, (SP/Juso) zu bedenken.

Kritik kam einzig von der GLP, die sich grundsätzlich für eine Trennung von Kirche und Staat ausspreche, wie Marianne Schild in Erinnerung rief. Sie wies darauf hin, dass der Kanton die kirchlichen Leistungen als «carte blanche» einkaufe, die Kirchen seien frei in der Entscheidung, wie sie die Gelder einsetzten. Dieser Vertrauensvorschuss sei angesichts sinkender Mitgliederzahlen langfristig zu hinterfragen.

Maulkorb nur für die Katholik:innen?

Mehr zu reden als der Bericht selber gab ein Antrag aus der SVP. Dieser verlangte von den Kirchen «sich politisch neutral zu verhalten und insbesondere keine Abstimmungs- oder Wahlempfehlungen öffentlich kundzutun». Ausgenommen Fälle, bei denen die Landeskirchen direkt betroffen wären, wie etwa Vorstösse zur Abschaffung der Kirchensteuern. Hintergrund des Antrags war das Engagement der Kirchen für die Konzernverantwortungsinitiative, wie Hans Schori in seinem Votum zum Antrag explizit sagte.

Doch von einem solchen «Maulkorb für die Kirchen» (Philippe Messerli) wollte etwa die EVP nichts wissen, auch die Grünen sprachen sich dezidiert dagegen aus: «Es gibt keine gesetzliche Grundlage, jemandem die Meinungsäusserung zu verbieten», sagte Anna de Quervain dazu.

Da die drei Landeskirchen je unterschiedliche Berichte verfasst haben, musste für jede Kirche einzeln über diesen Antrag abgestimmt werden. Diese verlief äusserst knapp: Mit 73 Ja zu 74 Nein wurde der Antrag zum Bericht der evangelisch-reformierten Kirche abgelehnt. Bei der römisch-katholischen Kirche kam es zu einem Patt. Dominique Bühler, Präsidentin des Grossen Rats, drückte beim Stichentscheid im Stress versehentlich auf den Knopf für «Ja» statt für «Nein». Nach einem Ordungsantrag wurde der Fehler korrigiert: Auch für die römisch-katholische Kirche wurde dieser Antrag mit einer Stimme Differenz abgelehnt.

Aufarbeitung von Missbrauch gefordert

Angenommen wurden hingegen zwei Anträge des Regierungsrats. Dieser hatte kritisiert, dass im Bericht, den die Landeskirchen dem Kanton abgeliefert hatten, das Thema Missbrauch und die Prävention dagegen mit keinem Wort erwähnt wird. Entsprechend werden die Landeskirchen nun beauftragt, «über das Thema Missbrauch und die dazu gehörenden Präventionsmassnahmen sowie die Aufarbeitung zu berichten». Ausserdem soll der Reportingprozess zur Erfassung der Freiwilligenarbeit vereinfacht werden, indem dafür ein einheitliches Tool zur Verfügung gestellt wird.

Ebenfalls angenommen wurde ein Antrag der Mitte, wonach die Teuerung analog der übrigen subventionierten Betriebe entrichtet werden soll, jedoch soll diese maximal 1,2 Prozent jährlich betragen.

Interview mit Regula Furrer, Generalsekretärin der römisch-katholischen Landeskirche Bern, folgt demnächst.