Foto: Robert Kratzki/unsplash.com
Grünflächen
Eine Kolumne der Seelsorger*innen am Inselspital Bern. Von Simone Bühler.
Ab 1. Juli übernimmt Simone Bühler die reformierte Co-Leitung der Seelsorge im Inselspital. Sie ist seit 2013 Seelsorgerin in der Insel und bringt diverse Weiterbildungen in spezialisierter Seelsorge mit. Ihr Vorgänger Thomas Wild übernimmt eine neue Aufgabe am Institut für Praktische Theologie an der Universität Bern. Er war seit 2010 Seelsorger im Inselspital und seit 2014 Co-Leiter. Ab Juli wird er zu zehn Prozent Vertretungen der Pikettdienste übernehmen. Katholischer Co-Leiter bleibt Hubert Kössler (seit 2008).
Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit?
Simone Bühler: Die Vielfalt. Jeder Tag entfaltet und gestaltet sich anders. Dabei ist mir innere Flexibilität wichtig. Ich übe mich in Achtsamkeit und Präsenz und versuche ansprechbar zu sein für das Wesentliche. Die Auseinandersetzung mit existenziellen Themen ist ein Lernfeld, auch für mich selbst.
Wer nimmt Ihre Dienste in Anspruch?
Hauptsächlich Patient*innen und ihre Angehörigen, vermittelt durch das Behandlungsteam. Ein grosser Teil unserer Arbeit sind Einsätze im notfallpsychologischen Bereich. Wir sind als Seelsorgeteam rund um die Uhr erreichbar und haben pro Jahr über tausend Einsätze. Dazu kommen individuelle Zuständigkeiten für bestimmte Stationen. Der Beziehungsaufbau mit den Mitarbeitenden ist wichtig. Sie kennen uns und vermitteln uns in entsprechenden Patientensituationen.
Wie können Sie abschalten?
Ich versuche, meine Sensibilität zu behalten, für Grenzerfahrungen offen zu sein und zu spüren, wann etwas zu viel ist. Das ist manchmal gar nicht einfach. Es gibt kein «Wunderrezept». Mir persönlich hilft Bewegung. Ich fahre oft und gerne Velo und beanspruche Einzelsupervision, wo ich für mich belastende Situationen aufgreifen und reflektieren kann.
Wie schaffen Sie es, innert Kürze die richtigen Worte zu finden?
Oft sind keine oder wenig Worte mehr wert als viel Reden – aushalten können. Manchmal kommt ein Impuls, ein Gedanke, dann probiere ich aus, stelle etwas zur Verfügung, mache ein Formulierungs- oder Deutungsangebot.
Was unterscheidet die Spitalseelsorge vom übrigen Spitalalltag?
Zeit! Sie ist ein riesiges Privileg und unverzichtbarer Teil unserer Arbeit. Es gehört zu unserer Identität, ebenso wie das Seelsorgegeheimnis. Ich glaube, das sind die beiden wichtigsten Unterschiede. Wir dokumentieren nicht, und wir haben Zeit. Seelenarbeit braucht Zeit. Es muss ein innerer Raum entstehen, erst dann kann auf einer tiefer liegenden Ebene etwas geschehen. Seelsorge ist für mich vergleichbar mit den Grünflächen auf dem Inselspitalareal. Man soll darin verweilen dürfen, bis sich deren Schönheit und Kraft entfalten kann.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Seelsorge vor?
Existenzielle Fragen gehören in den Kontext von Gesundheit und Krankheit. Sinnfragen stellen sich auch im Rahmen von hochspezialisierter Medizin. Grenzerfahrungen und Brüche prägen auch den Erfahrungsalltag von medizinischem Personal. Es braucht eine Berufsgruppe, die diese Erfahrungsdimension sieht und aufgreift.
Simone Bühler, reformierte Seelsorgerin