Haben Sie heute schon geatmet?

16.09.2015

Pierre Stutz will, dass die Kirche nicht den Leuten etwas beibringt, sondern von dem ausgeht, worin Menschen leben, damit sie sich in Freiheit weiter entwickeln. Basil Schweri

Pierre Stutz war Priester, christlicher Schulbruder, Jugendseelsorger, Theologie- Dozent, und prägte jahrelang die Abbaye de Fontaine-André ob Neuenburg als «Offenes Kloster». Heute ist er kein Mönch mehr, oder doch?

2002 legte Pierre Stutz sein Priesteramt nieder und beendete die Zusammenarbeit mit den «Frères des Ecoles Chrétiennes», in deren Orden er schon jung auf seiner Gottessuche eingetreten war. Er hatte sich nach depressiven Zeiten durchgerungen, zu seiner Homosexualität zu stehen – seit 2003 ist er mit seinem Lebenspartner zusammen und wohnt in Lausanne.
«Ich hatte grosse Angst vor dem Coming- out», schildert er die damalige Zeit, die er als Existenzbedrohung erlebte. Doch verschiedene Orden im ganzen deutschen Sprachraumluden ihn danach erst recht zu Seminaren, Vorträgen und Exerzitien ein, weil sie den erfolgreichen Autor als authentische Person und Wegbegleiter suchten. Das Team in Neuchâtel bedauerte den Austritt ihres Hoffnungsträgers: «Es war schmerzlich – wie eine Scheidung oder Trennung», erinnert sich Pierre Stutz.

Er erlebte selber, was er andern Menschen in seiner Arbeit mitgeben will: «Menschen in schwierigen Situation und Umbrüchen brauchen eigene Kraftquellen, die sie stärken.» Er ist überzeugt, dass dies jedem Menschen gelingen kann, und zitiert im neusten Buch die Autorin Etty Hillesum: «... in sich selbst grosse Flächen urbar machen für die Ruhe, für immer mehr Ruhe...» Auf diesem Weg empfindet sich Pierre Stutz weiterhin als Mönch und formuliert quasi programmatisch: «Entdecke die Klosterzelle in Dir! Du hast diese Möglichkeit!» In seinen Büchern erzählt er Hoffnungs-Geschichten, die ermutigen trotz all der heutigen «Wundmale unserer Zeit». Auch wenn kirchliche Würdenträger die Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Ehen als «Niederlage der Menschheit» sehen, verletzt und empört ihn das zwar. Doch wichtig ist ihm, kein Opfer zu werden.
Seit seiner Zeit als Jugendseelsorger will Pierre Stutz, dass die Kirche nicht den Leuten etwas beibringt, sondern von dem ausgeht, worin Menschen leben, damit sie sich in Freiheit weiter entwickeln. So strahlt er selber im TV-Talk bei «Aeschbacher» eine verblüffende Fröhlichkeit aus, verweist im neuesten Werk (siehe Medienseite) auf «Kraftübungen » für den Alltag und ermutigt zu kämpferisch-gelassener Solidarität

Hinweis: www.pierrestutz.ch