«Härdlütli»-Demo und ein Zürcher in der Hölle
Zwei Kinderbücher zum 601. Münster-Jubiläum
In diesem Jahr konnte das 601. Jubiläum der Grundsteinlegung des Berner Münsters gefeiert werden. Zwei Kinderbücher wecken die Neugier auf dieses spätmittelalterliche Wahrzeichen von Bern. Sie könnten dabei unterschiedlicher nicht sein.
Andrea Huwyler
Zunächst ist da das grossformatige Wimmelbuch von Beatrice Kaufmann und Matthias L. Vatter. Sie betten die Geschichte des Münsters und seine baulichen Veränderungen in sieben quicklebendige Alltagszenen ein –vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Der Fokus liegt also auf der «Kirche im Dorf» – beziehungsweise in Bern. Die römisch- katholische Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung hat daher das Projekt unterstützt. In diesen Tagen soll das Buch allen Familien mit Kindern der 1. und 2. Klasse im Religionsunterricht verteilt werden.
Mit dem Wimmelbuch können Grosseltern und Enkel miteinander ins Gespräch kommen; sie können dabei beispielsweise Handwerkskünste oder den Bildersturm besprechen und verfolgen, wie sich Bern während der Industrialisierung verändert hat. Man kann im Gewimmel Huldrych Zwingli entdecken, Wilhelm Tell oder Mani Matter. Sogar der Klimastreik hat im Buch einen würdigen Platz gefunden.
Nicht alle Persönlichkeiten und historischen wie auch kulturgeschichtlichen Details erschliessen sich auf den ersten Blick. Wer sich in die Hintergründe vertiefen möchte, findet auf der zugehörigen Webseite ergänzende Informationen. Diese werden laufend ausgebaut.
Beatrice Kaufmann und Matthias L. Vatter: Das Berner Münster Wimmelbuch. Eine Stadt und ihre Kirche im Wandel der Zeit. Vatter & Vatter 2022. 14 Seiten. Fr. 24.–
Nun zum zweiten Buch. Jürg Häberlin bereitet darin auf einen bevorstehenden Besuch des Münsters mit Kindern vor. Luca und Mira entdecken mit ihrem Grossvater den ehrwürdigen Kirchenbau. Sie lernen dabei Menschen kennen, die im Münster arbeiten. Turmwartin, Pfarrerin, Organist und Sigrist weisen die Kinder zusätzlich auf interessante Details hin.
In den Fenstern, dem Chorgestühl, an den Wänden oder über dem Portal lassen sich so biblische und historische, sogar humorvolle Szenen entdecken.
Man erfährt beispielsweise, dass ein wesentlicher Einrichtungsgegenstand des Münsters eigentlich Diebesgut ist oder dass auf dem Estrich noch ein Tretrad existiert, das beim Bau sozusagen als Kran fungierte. Würde man wohl auch ohne Tipp das vom Gottesdienst gelangweilte Schlitzohr im Chorgestühl entdecken? Ebenfalls wird mit Augenzwinkern die Frage beantwortet, warum in der Hölle am Portal ein einziger Bekleideter unter all den nackten verlorenen Seelen zu finden ist.
Ernsthaft hingegen werden Gottesdienst und Abendmahl kindgerecht thematisiert oder Reformation mit Bildersturm angesprochen.
Trotz teilweise leicht belehrendem Tonfall weckt das Buch auf jeden Fall die Lust, alle erwähnten Details (und noch viel mehr!) selbst zu entdecken.
Jürg Häberlin: Das Berner Münster. Eine kleine Entdeckungsreise. Weber 2022. 72 Seiten. Fr. 29.–