«Hier haben sich absurde Normen entwickelt», sagt Gemeindeleiterin und Theologin Edith Zingg. Foto: Vera Rüttimann
Hässliches Gemüse, köstliche Bouillon
Foodoo-Schnippel-Factory in Ostermundigen
Aus weggeworfenem Gemüse entstand feinste Bouillon. In Ostermundigen fand unlängst die Foodoo-Schnippel-Factory statt. Organisiert unter anderem von der katholischen und reformierten Kirche in Ostermundigen. Ideengeber und Foodoo-Initiant ist Starkoch Mirko Buri.
von Vera Rüttimann
Unter einer Zeltüberdachung neben dem Altersresidenz «Tertianum» wird geschnippelt, was das Zeug hält. In der «Foodoo-Factory» werden Nahrungsmittel wie Tomaten, Zwiebeln und Karotten verkleinert und Plastikbehälter abgefüllt. Pikant: Alle Gemüse weisen Makel auf. Sie sind entweder zu klein, zu dick oder zu krumm. Es ist Gemüse, das man der Lebensabteilung eines Grossverteils wohl nicht im Regal sieht. Es passt nicht in die vorgeschriebene Norm.
Auch Edith Zingg steht an einem der Tische und schnippelt. Der Gemeindeleiterin der katholischen Pfarrei Guthirt war es schon immer ein Anliegen, dass Nahrungsmittel nicht vernichtet, sondern wiederverwertet werden. Sie weiss: «In der Schweiz geht ein Drittel der hier produzierten Nahrungsmittel verloren oder wird weggeschmissen.»
Edith Zingg nennt ein Beispiel: «Früher hat man eine ganze Sau verarbeitet. Das Schwänzchen und die Nieren gleich mit. Heute werden solche Teile entsorgt oder exportiert.» Es könne nicht sein, nur noch die «edlen» Teile eines Tieres auf die Teller kommen. «Hier haben sich absurde Normen entwickelt», sagt die Gemeindeleiterin.
So denken auch viele Frauen und Männer, die in Schürzen an den Tischen schnippeln. Ein bunter Mix trifft sich hier. Darunter sind Leute aus der reformierten Gemeinde und der katholischen Pfarrei und Jugendliche aus der Wahlfachgruppe. Selbst Bewohner:innen des Altersheims Tertianum sind mit von der Partie.
Mann der Tat
«Das ist eine der schnellsten Factorys, die ich je gesehen habe», sagt Mirko Buri. Ostermundigen reiht sich ein in eine Reihe von Foodoo-Factorys, die der junge Koch dieses Jahr schon in Bern und Umgebung organisiert hat. Das Thema Food-Waste ist dem Mann mit dem gewinnenden Lachen schon lange ein Anliegen.
Vor acht Jahren habe er den Film «Taste the Waste» von Valentin Thurn gesehen. «Da habe ich erkannt», sagt Buri, «wie viele Lebensmittel sinnlos weggeschmissen werden. Dagegen wollte ich etwas tun.» Er sei mit seinem Auto zu Feldern gefahren, um nachzusehen, ob tatsächlich aussortiertes Gemüse ungenutzt herumliege. Mirko Buri erzählt: «Da lagen überall Karotten auf dem Feld. Ich dachte: Damit könnte ich für 4000 Leute kochen.»
Mirko Buri verliess die Spitzengastronomie und eröffnete in Köniz mit seinem Schwager Pierre-Yves Bernasconi vor vier Jahren ein No-Food-Waste-Restaurant. Sein Credo: «Nicht das Rüebli muss sich der Maschine anpassen. Sondern umgekehrt.»
Verkaufshit: Die Bouillon-Paste
Aus dem zerkleinerten Gemüse entsteht Mirko Buris eigenes Produkt. «Es war ein cooler Moment, als ich erkannte, dass ich mit all dem Gemüse, das ungenutzt auf den Feldern rumlag, eine Bouillonpaste machen konnte», erzählt er. Sie schmecke einfach supergut. Heute kann man seinen Verkaufshit in vielen Läden und sogar in der Migros Aare kaufen. Für diese wird das Gemüse nicht in den Foodo-Factorys gerüstet, sondern von der Stiftung Transfair in Thun. So bietet «Foodoo» Menschen, die sonst am gesellschaftlichen Rande leben würden, eine sinnvolle Aufgabe.
Gegen Nachmittag sind über 1,5 Tonnen Gemüse geschnippelt. Edith Zingg und die Mithelfenden sind zufrieden. Die Gemeindeleiterin resümiert: «Für uns als Kirche ist es wichtig, dass Themen wie verantwortlicher Umgang mit Lebensmitteln auf der Agenda sind.» Mirko Buri fügt hinzu: «Die Foodoo-Factorys sind ein Mut machendes Beispiel dafür, was man zusammen alles erreichen kann.»