«Hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts…»

In einem bewegenden Gottesdienst nehmen Familie, Freunde und Kolleg:innen Abschied von Christian Kissling.

In einem bewegenden Gottesdienst nehmen Familie, Freunde und Kolleg:innen Abschied von Christian Kissling.

Annalena Müller

Die Berner Dreifaltigkeitskirche ist gut gefüllt. Christian Kissling hat das Leben vieler Menschen berührt. An diesem Donnerstagnachmittag sind sie gekommen, um Abschied zu nehmen.

Durch den Gottesdienst leitet der frühere Pfarrer der Dreifaltigkeitskirche, Christian Schaller, zusammen mit Markus Bär, leitender Priester in Wabern und Kehrsatz. Beide arbeiteten lange mit Kissling zusammen, der viele Jahre Mitglied und Präsident des Kirchgemeinderats der Dreif war.

Freunde erinnern sich

Während der Zeremonie treten Weggefährten von Kissling ans Rednerpult und sprechen über den Freund, den Kollegen, den promovierten Theologen, der mit über 40 zum Jus-Studenten wurde. Sie teilen ihre Erinnerung an den Verstorbenen, der in den Kurzvorträgen als kantiger, zackiger, aber gütiger Mann, als Intellektueller, Visionär und, immer wieder, als liebender und stolzer Vater beschrieben wird.

Sein Professor von der Uni Bern sagt über den spätberufenen Juristen: «Hatte man Christian im Team, konnte man sich zurücklehnen.» Er habe Dampf gehabt und Durchsetzungsvermögen. Und verspätete Texte für geplante Sammelbände habe kaum jemand so effektiv eintreiben können wie Kissling.

Geist und Seele im Zentrum

Der Präsident des Kleinen Kirchenrats, Karl-Martin Wyss, erinnert an Kisslings «treue Wesensart mit Ecken und Kanten» und Markus Bär dankt dem Verstorbenen für seinen grossen Einsatz «für eine Kirche, die sich öffnet; die offen ist für alle Menschen.»

Einer der berührendste Moment ist der Vortrag des Hohelieds der Liebe, das für Familie Kissling eine besondere Bedeutung hat. «Hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig (...) Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.»

Die Abdankung kommt ohne Messe aus. Nicht formelle Zeremonie, sondern Geist und Seele des Verstorbenen stehen im Zentrum. Es ist ein würdiger Abschied für einen, der, so Markus Bär, «kein traditioneller Theologe war, sondern jemand, der eine Kirche für Menschen wollte, die einfach nur leben wollen.»