Heidi Kronenberg: Im engen «Schrank» knien

09.09.2024

Im Beichtstuhl: Heidi Kronenberg

Heidi Kronenberg, Journalistein und Autorin, über die kirchliche Autorität in den 1960ern.

Interview: Katharina Kilchenmann

Sie haben als junges Mädchen zum letzten Mal gebeichtet. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Heidi Kronenberg: Schlimm. Im Luzernischen, wo ich aufgewachsen bin, stand die Kirche buchstäblich mitten im Dorf. In meiner Familie spielte Religion zwar keine Rolle, aber das Leben im Dorf war in den Sechzigerjahren von der katholischen Kirche bestimmt. Die Pfarrherren waren Autoritäten, die wussten, was gut und was böse war. Und in der düsteren, angsteinflössenden Szenerie des Beichtstuhls war ihre Macht besonders spürbar.

Was war denn so schlimm?

Heidi Kronenberg: Es war sehr unangenehm, in diesem engen «Schrank» ganz nah, nur abgetrennt durch ein Holzgitter, vor dem Priester zu knien, der eine Art Richter war. Er gab mir zu verstehen, ich sei eine Sünderin: zu wenig fromm, ungehorsam oder gar unkeusch. Wobei ich damals gar nicht wusste, was damit gemeint war. Nach der Beichte traf ich mich draussen mit meiner Freundin, und wir schütteten uns aus vor Lachen, was sehr befreiend war. Heute hat das Wort «Sünde» keine Bedeutung mehr für mich.

Trotzdem gingen Sie nicht ungern zur Kirche.

Heidi Kronenberg: Ja, die Feierlichkeiten, die Musik, die Maiandachten, die Bittgänge über das Land und das Zusammensein mit meinen Freundinnen waren es trotz allem wert.


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