Pfarrer Laurentiu Precup am Ambo, sitzend neben ihm von links nach rechts: Missionar Gojko Zovko, Bischofsvikar Arno Stadelmann, Pfarreileiter Paul Hengartner, Co-Dekanatsleiter Bernhard Waldmüller.

Heiligkreuz ist nicht mehr katholisch

22.01.2018

Am Sonntag, 21, Januar, wurde die Kirche Heiligkreuz in Bern-Tiefenau «entwidmet». Die katholischen Kultgegenstände wurden also entfernt, die Kirche der neuen Besitzerin, der rumänisch-orthodoxen Gemeinschaft übergeben. Ein Stimmungsbericht.

Am Sonntag, 21, Januar, wurde die Kirche Heiligkreuz in Bern-Tiefenau «entwidmet». Die katholischen Kultgegenstände wurden also entfernt, die Kirche der neuen Besitzerin, der rumänisch-orthodoxen Gemeinschaft übergeben. Ein Stimmungsbericht.

Die Kirche ist leer. Die Madonnenfigur und der Corpus am Kreuz sind noch da. Dutzende Kerzen flackern und flehen um Erhöhung der Gebete. Auf dem Alter, leicht verrutscht, liegt bloss noch ein Tuch. Der Tabernakel, der Aufbewahrungsort der Hostien, steht weit geöffnet da, wie ein leergeräumter Schrank. Keine Ziborien mehr, keine Hostienschalen, keine Monstranz, keine Altarkerzen, keine Bibel, kein Evangeliar, kein Messbuch. Dort, wo die Osterkerze stand, ragt noch ein Stachel in die Höhe.

Vor einer halben Stunde wurde die Kirche Heiligkreuz in der Tiefenau in Bern «entwidmet». Sie ist keine katholische Kirche mehr. Symbolischer Akt dieser «Entwidmung» ist das Leerräumen der Altargegenstände, der sakralen Objekte und der Osterkerze. Man hat auf- und weggeräumt. Der Letzte, so sagt man, löscht das Licht.

Für den Gottesdienst sind noch einmal alle gekommen. Die Honoratioren, die Geistlichkeit, der neue Besitzer. Und gefühlt 500 Menschen der kroatischsprachigen Mision. Vielleicht waren es auch 100 weniger. Die Kirche war voll. Seit 32 Jahren war die Kirche Versammlungsort der kroatischsprachigen Mission.

Für eben diese Kroatinnen und Kroaten ist die Entwidmung eine Trauerveranstaltung, für die neue Besitzerin, die rumänisch-orthodoxe Gemeinschaft, ist es ein Freudentag. Für die einen gehen die Türen auf, die anderen müssen sie schliessen. Die einen können danken und loben und feiern. Die anderen müssen zähneknirschend das Feld räumen, umziehen, sie müssen sich Mut zusprechen lassen, es wird ihnen Aufbruch und Neubeginn versprochen. Von einem zukunftsweisenden Entscheid ist die Rede, von Ökumene, von ökonomischer Klugheit, von Weitsicht.

Das mag alles stimmen. Die einfachen Menschen können es im Moment einfach nicht recht glauben und annehmen. Jetzt gilt es zunächst Abschied zu nehmen von dieser Kirche. Hier hätten sie über 1000 Kinder getauft, sagt Missionar Gojko. Viele fassen sich bei diesen Worten an den Händen. Heimat ist da, so Gojko, wo «man versteht und verstanden wird». Hier in Heiligkreuz haben sie sich verstanden, die «Kroaten», hier war Heimat. Wenn die Kirche nun nicht mehr ist, verlieren sie also auch ein Stück Heimat. Gojko zeigt sich versöhnlich, ganz katholisch. Er reicht die Hand zum Friedensgruss, er dankt von Herzen der Pfarrei Heiligkreuz für über 30 Jahre Gastfreundschaft.

Der neue Besitzer, Pfarrer Laurentiu Precup, will die Türen der Kirche stets für alle offen halten. Er ist überglücklich, dankbar. Endlich habe man eine neue Heimat gefunden, ein Gotteshaus, ein Gebetszentrum. Endlich.

Die kroatischsprachigen Gläubigen verlagern ihr spirituelles Leben in die evangelische Kirche Bethlehem. Die Gemeindeanlässe werden sie im Zentrum der danebenliegenden Pfarrei St. Mauritius abhalten können. Bischofsvikar Arno Stadelmann ist im persönlichen Gespräch zuversichtlich, dass alles gut kommt. Mit Hoffnung und Gottvertrauen. Die organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen seien nun allenthalben geschaffen, jetzt müsse bei allen Beteiligten noch das Herz dazukommen. Wenn das passiere, dann sehe er keine Probleme. Am nächsten Sonntag findet der erste Gottesdienst der kroatischen Mission in Bern-Bethlehem statt. Es wird ein Fest mit hunderten Gläubigen. Die Kirche wird voll sein, die Gesänge und Gebete intensiv. Es wird ein Neubeginn sein. Zukunftsweisend.

Andreas Krummenacher


Zur Architektur der Kirche

Die Kirche Heiligkreuz Bern-Tiefenau ist keine katholische Kirche mehr. Sie wurde für 1 Million Franken der rumänisch-orthodoxen Gemeinschaft verkauft. Die Kirche ist architektonisch und ästhetisch eine Herausforderung. Architekt Walter M.Förderer setzte ganz auf Beton. Brutalismus nennt man das heute. Böse Zungen sprechen von Beton-Monster. Inzwischen aber sind diese Gebäude gefälliger als auch schon. Es ist nicht lieblich. Es geht bei dieser Art Architektur aber um viel mehr als blosse Ästhetik. Förderer schuf ist seinem Verständnis eine Burg, eine Glaubensburg. Heute würde so nicht mehr gebaut, aber der Ruf, diese Bauten zu retten und zu schützen, wächst. Gerade Heiligkreuz ist ein Paradebeispiel dafür. Brutalismus ist eine Rebellion, eine Anti-Haltung. Gegen das Establishment, gegen die gängigen Vorstellungen, gegen das Angepasste, gegen die Saturiertheit, das Wohlgefällige, gegen die reiche, fette, Wohlstandsgesellschaft. Die Kirche Heiligkreuz wird in nicht allzu ferner Zukunft ein Magnet für Architekturfans. Sie ist dann halt einfach nicht mehr katholisch.

Kunstführer
Zur Geschichte der Kirche hat die Pfarrei und Kirchgemeinde Heiligkreuz einen ausgezeichneten Kunst- und Architekturführer herausgegebenen. Man kann ihn hier beziehen: Sekretariat Pfarrei Heiligkreuz Bremgarten 031 300 70 20, oder hier als eBook.

kr

 

Weiterführende Links

Ein ewiges Licht zieht um,
«pfarrblatt»-Interview mit Pfarreileiter Paul Hengartner zum Verkauf der Kirche Heiligkreuz in Bern-Tiefenau und zum Neubeginn im Zentrum St. Johannes in Bremgarten, Dezember 2017

Enttäuscht, aber nicht verbittert.
«pfarrblatt»-Gespräch mit dem Missionar der katholischen Kroaten-Mission Bern

Sehnsucht nach den eigenen vier Wänden
Porträt der rumänisch-orthodoxe Kirchgemeinde St. Georg Bern aus dem «pfarrblatt» vom August 2017