Trost! Foto: obeyleesin / photocase.de
Herausgegriffen
Textsplitter, Schlagzeilen, Gelesenes, kurz Aufgeschnapptes, hier einen Satz aus dem Radio - im Verlauf einer Woche begegnet man viel Klugem. Eine Auswahl.
Konfessionelle Unterschiede
In der Schweiz sind die gefühlten Unterschiede zwischen Reformierten und Katholiken geschwunden. Das zeigt eine Untersuchung, die das renommierte Washingtoner «Pew Research Center» im westlichen Europa durchgeführt hat. Für 54 Prozent der Ref ormierten überwiegen demnach die «Ähnlichkeit» der beiden Konfessionen, für 41 Prozent die «Unterschiede». Bei den Katholiken ist das Verhältnis 65 zu 32 Prozent. 57 Prozent der Reformierten halten Glauben und gute Werke für gleich wichtig, für richtig, 30 Prozent halten «den Glauben allein» für wichtiger. In Deutschland übrigens überwiegen für 78 (!) Prozent der Protestanten die «Ähnlichkeiten» der beiden Konfessionen, nur 19 Prozent betonen die Unterschiede. Bei den Katholiken steht das Verhältnis 58 zu 35 Prozent.
Andreas Krummenacher
500 Jahre nach der Reformation haben konfessionelle Differenzen viel von ihrer Kraft verloren. Die detaillierten Ergebnisse zu den konfessionellen Unterschieden und deren Wahrnehmungen des Pew Research Center lesen Sie hier
Zum gleichen Thema lesen Sie hier einen Artikel des humanistischen Pressedienstes
Glaubwürdig
«Eine Person ist dann authentisch, wenn sie mit sich im Einklang ist, wenn sie immer sich selbst ist, egal ob gerade jemand zuschaut oder nicht. Jemand ist dann authentisch, wenn er seine Versprechen hält. Auch dann, wenn ihm nicht danach ist.»
Seth Godin, Autor, Marketingexperte, früherer Internet-Unternehmer
Literarischer und religiöser Trost
«Wenn es gelingt zu trösten, in welcher Form auch immer, dann ist das unglaublich viel. Ich glaube, viel mehr zu erwarten, wäre hoffärtig und wäre auch illusorisch und inhuman.
Hans Blumenberg fragte irgendwann mal, warum erzählt man sich eigentlich? Um gegen die Angst und gegen die Langeweile etwas zu tun. Gegen die Angst kann ich trösten und gegen die Langeweile kann ich auch trösten. Wahrscheinlich ist die Langeweile schrecklicher als die Angst à la longue gesehen. Die Langeweile sagt uns, wie leer und sinnlos das Leben ist, und da kann die Erzählung oder die Predigt – zumindest vorübergehend – einen Trost bringen. Bei der Angst ist es ähnlich.
Fällt Ihnen ein edleres Motiv ein für das Erzählen als der Trost? (...)Auf die Frage, ob ich religiös bin, kann ich nur mit Sprache antworten. Und Sprache ist etwas Rationales. Religiosität ist aber ein Thema, wenn ich das ins Rationale hebe, zerrinnt es mir. Wie Wasser, wenn ich es mit gespreizter Hand fassen will. Darum sollte ich aber trotzdem nicht an der Existenz des Wassers zweifeln.
Aber deswegen kann ich die Religiosität fast nicht in rationale Sprache fassen. Das Herz, wenn ich jetzt diesen pathetischen Ausdruck brauchen darf, hat aber keine Sprache, jedenfalls keine rationale. Nichtverbale Formen der Äusserung, Metaphern, Kunst, Musik, vielleicht … Sie sehen, ich stammle da. Ein Atheist könnte jetzt darauf ohne Probleme antworten. Der Atheismus lässt sich wunderbar sprachlich und intellektuell dokumentieren: Die Religiosität nicht.»
Aus SWR2 Zeitgenossen. Gespräch mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier vom 19. September.
Den Podcast können Sie hier hören
Andreas Huwyler hat für uns das neueste Buch von Michael Köhlmeier gelesen. Ihre Besprechung lesen Sie hier.
Was ist Bildung
«Man muss der Idee von Bildung nicht zutrauen, alle Probleme dieser Welt zu lösen. Bildung ist kein säkularer Ersatz für die Heilsversprechen der Religionen, auch wenn der Gestus des Erlösers von Bildungsexperten gerne in Anspruch genommen wird. (...) Bildung hat mit der Entwicklung von Persönlichkeiten zu tun, sie hat mit der Vermittlung jener geistigen Fundamente zu tun, auf denen unsere Zivilisation aufbaut, und sie hat mit jenen Kenntnissen, Techniken und Fähigkeiten zu tun, die schlechterdings notwendig sind, um sich in dieser Gesellschaft zu orientieren und sich als selbstbewusster und mündiger Bürger zu behaupten.»
Konrad Paul Liessmann in der Neuen Zürcher Zeitung, «Begabung zum Menschsein», 16. Oktober.
Den ganzen Artikel finden Sie hier
Traurig ist viel mehr als krank
Utka-Eskimos kennen kein Wort für «Wut», und in Tahiti gibt es keinen Begriff für «Traurigkeit». Leben ohne Traurigkeit? Wirklich? Mitnichten. Wenn Tahitianer in unserem Verständnis traurig sind, beschreiben sie sich als krank, aufgewühlt, ermüdet oder ohne jeglichen Antrieb – für all das zusammen benutzen sie dann das Wort «pe'ape'a».
Im Norwegischen wiederum gibt es für den ganzen Vorgang der unendlichen Freude während des Sich-Verliebens angeblich einen einzigen Ausdruck: «Forelsket». Es liessen sich sehr viele weitere Beispiele auflisten. Für Gefühle, Empfindungen, menschliche Vorgänge, die wir ausführlich erklären müssen, gibt es in anderen Sprachen oftmals ein einziges Wort. Das gibt es natürlich auch umgekehrt. Nehmen wir nur die deutschen Worte Zeitgeist, Sitzfleisch oder Habseligkeiten – diese Worte sind in andere Sprachen nicht übersetzbar.
Andreas Krummenacher
Buchtipps dazu:
David Tripolina: Einzigartige Wörter – 333 Begriffe, die es nur in einer Sprache gibt – und was sie bedeuten, Riva 2017, 160 Seiten, Fr. 11.90.
Lisa Feldman Barrett: How Emotions Are Made – The Secret Life of the Brain, Houghton Mifflin Harcourt 2017, 448 Seiten, Fr. 27.90.
Fake News von der Kanzel
«Ich sass vor einigen Monaten mit einem Bischof auf einem Podium zum Thema ‹postfaktisches Zeitalter und Fake News›. Und dieser Bischof regte sich darüber auf, dass heute überall Fake News, also falsche Informationen, verbreitet würden. Da habe ich gedacht, wie kann der sowas sagen?
Die Kirche hat 2000 Jahre lang von der Kanzel herab Fake News verbreitet – über die Entstehung der Welt usw. – das ist doch nicht neu, dass wir in einer ‹postfaktischen› Zeit leben, sondern neu ist, dass sich die Leute darüber aufregen und dass jeder von uns die Chance hat, seinen postfaktischen Unsinn irgendwo loszuwerden und gehört zu werden. (...) In den Wirtshäusern Deutschlands wird seit Jahrhunderten postfaktischer Blödsinn weiterverbreitet, der aber dort geblieben ist.»
Der Philosoph Richard David Precht im Interview. Deutschlandfunk Kultur – Im Gespräch. 13. Oktober.
Das Gespräch können Sie hier hören.