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Himmel oder Hölle
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
«Was glauben Sie, werde ich in die Hölle kommen?» Mit dieser Frage hat der Patient unser Gespräch begonnen. Und damit hat er mir unmissverständlich klargemacht, dass eine Antwort auf diese Frage alles war, was ihn schon seit Tagen umtrieb und beschäftigte. Sich langsam ans Thema heranzutasten oder sich erst kennenzulernen, lag nicht drin!
So stand alleine die Frage im Raum, ob Himmel oder Hölle. Schwarz oder Weiss, mehr gibt es nicht, schoss es mir durch den Kopf, und genau so wollte mein Gegenüber auch unser Gespräch gestalten. Er der Fragende, ich derjenige, der ihm Antworten liefern sollte. Dafür oder dagegen, gut oder schlecht, in diesem Entweder-oder denkt er und funktioniert er.
Er erzählte mir aus seinem Leben. Erzählte, wie er sich grosse Schuld aufgeladen hat, dafür auch verurteilt wurde und seit vielen Jahren die Konsequenzen trägt. Was andere über ihn denken, interessiere ihn schon lange nicht mehr – daran habe er sich gewöhnt. Und so verhalte es sich auch mit dem Verzeihen. Er selbst könne niemandem verzeihen, Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie er es sagt. Und ob die Leute ihm verziehen, das interessiere ihn ebenfalls schon lange nicht mehr! Nur ob Gott ihm verziehe, das müsse er wissen.
«Trotz der Schuld, die Sie durch Ihr Handeln auf sich geladen haben, glaube ich nicht, dass Sie in die Hölle kommen», antwortete ich ihm. «Denn mein Gottesbild lässt nicht zu, dass Gott Schuld mit Schuld vergilt.» So unterhielten wir uns über unser beider Gottesbilder, die sich doch sehr voneinander unterscheiden. Keiner wollte dem anderen seinen Glauben absprechen, gar ihn korrigieren, wir waren uns aber einig, dass das jeweilige Gottesbild und die daraus folgernden Handlungswirkungen dieses Gottes doch beträchtlich auf das eigene Leben einwirken können.
Patrick Schafer, Seelsorger im Inselspital
Patrick Schafer, Seelsorger im Inselspital