«Unsere Grabmäler sollen den Lebenden dienen.» René Zutter gestaltete das Priestergrab im Bremgartenfriedhof Bern neu. Foto: Pia Neuenschwander
Himmel und Erde
Das neue Priestergrab in Bern
Mitten im Gespräch beugt sich René Zutter über die linke Stele des neu gestalteten Priestergrabes in Bern und wischt mit drei Handbewegungen Staub und Spinnenfäden vom hellen Stein. Verständlich – er entwarf das neue Grabmal auf dem Bremgartenfriedhof Bern.
«Der Stein stammt aus dem Tessin, aus Cresciano », bemerkt er. René Zutter, Inhaber eines Bildhauerateliers in Freiburg im Uechtland, braucht nicht viele Worte. Seine Entwürfe sollen funktional sein, den Wünschen seiner Auftraggeber entsprechen. Zutter spricht denn auch mehr von der Pflegeleichtigkeit seines Grabmales, von der Neigung der Oberkanten der drei Stelen, die so geschnitten sind, dass das Wasser gut ablaufen kann und wenige Ablagerungen entstehen sollen.
Und die Platten vor dem Gefäss mit Weihwasser sind aufgeraut, damit die Besucher nicht ausrutschen. Die drei Stelen, zwei kleinere links und rechts, eine dem Himmel zustrebende in der Mitte mit einemeingravierten Kreuz, nehmen thematisch ganz nüchtern die Dreifaltigkeit auf, verbinden Himmel und Erde.
Ihre leicht geschwungenen Oberkanten erinnern an Schalen oder offene Hände. Die ganze Anlage wird durch balkenähnliche Randsteine umfasst. «Die sind auf spezielle Verankerungen aufgesteckt und können weggenommen werden, wenn ein neues Grab ausgehoben wird», erklärt Zutter. Das Grabfeld ist mit grünen Bodendeckern ausgeschmückt, die im Frühling voller gelber Blüten sind, und synchron angeordneten Christrosen. «Sie verhindern den Wirrwarr und die unordentlich wirkende Anordnung der alten Bepflanzung», meint Zutter. Auf der Platte vor dem Gefäss mit Weihwasser hat es Platz für Mitbringsel. Ein Rosenkranz, eine Laterne, ein Tonengel und eine blaue Zierkugel zeugen davon, dass das Grabfeld besucht wird.
Das Vorgänger-Grabmal stammte vom Luzerner Künstler Franco Annoni. Es stellt Saulus vor Damaskus dar, der vom göttlichen Licht zu Boden geworfen wurde, und trägt den Titel: «Rede Herr, dein Diener hört». Am schattigen Standort wurde es von Moos und Flechten überwuchert. Es entstanden Verfärbungen. Die Skulptur bleibt aber erhalten. Laut Friedhofsverwaltung wird sie im Grabfeld der Ewigen Ruhe platziert. Dort werden nach Aufhebung von Grabfeldern übrig gebliebene Urnen bestattet. «Damals», so Zutter, «hat man auf eine Bezeichnung als Priestergrab verzichtet. Auf einzelnen Grabsockeln waren die Namen der bestatteten Priester aufgeschrieben.
Für das neue Grabmal haben meine Auftraggeber um den früheren Dekanatsleiter und Pfarrer von Bruder Klaus, Georges Schwickerath, die klare Benennung gewünscht und das Zusammennehmen der Namen der Verstorbenen.»
Sieben Priester, Johann Stalder, Hans Rudolf Zeier, Ferenc Kalman Cserhati, Walter Stähelin, Eduard Roth, Rino Frigo Scalabriano und Joseph Seiler, fanden seit 1988 in diesem Grab nahe der Kapelle des Bremgartenfriedhofs ihre letzte Ruhe. René Zutter kannte keinen dieser Priester persönlich. Er ist in Biberist in einer reformierten Familie aufgewachsen. Als Bub wollte er wie viele Pilot werden, lernte dann Kaufmann, arbeitete in einer Spitalverwaltung und später in einem Immobilienbüro. Mit dem Bildhaueratelier machte er sich selbstständig. Als er in Freiburg sein Atelier aufbaute, «wurde ich an meinem Wohnort St. Silvester vom Kirchenchor der katholischen Pfarrei angefragt, ob ich mitsingen wolle», erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht: «Ich machte damals darauf aufmerksam dass ich reformiert sei. Ich wurde herzlich aufgenommen.»
René Zutter wohnt heute in der Nähe von Bern und singt weiterhin mit Leidenschaft. Er ist Präsident des Kirchenchores der Pfarrei Bruder Klaus: «Bei uns singen viele Reformierte mit. Das ökumenische Miteinander funktioniert tadellos.» Der ehemalige grosse Ökumeniker und Pfarrer von St. Marien Bern, Walter Stähelin, hätte seine helle Freude an dieser Erfahrung. Er ist im Priestergrab bestattet. Kirche ist für René Zutter eine Gemeinschaft, ein Ort der Begegnung unter Gleichgesinnten. Glaube und Spiritualität sieht er rational, gerade auch, weil er als Grabmalentwerfer mit dem Lebensende zu tun hat: «Ich glaube schon, dass es etwas Höheres gibt, aber wie das drüben aussieht? Unsere Grabmäler sollen den Lebenden dienen. Wir schaffen für die Hinterbliebenen einen Ort der Erinnerung, helfen damit, den Abschied zu bewältigen.»
Hat er schon eine Ahnung, wie sein persönlicher Grabstein dereinst aussehen wird? René Zutter schüttelt den Kopf und bleibt pragmatisch: «Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich bin keiner, der sich ein Denkmal setzen muss.» Sagts und steckt einen kleinen Kerzenhalter, den jemand mitgebracht hat, ordentlich ins Grab.
Jürg Meienberg
Priestergrab Bern
In einer Verordnung der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern ist der Zweck des Priestergrabes umschrieben: «Das Priestergrab steht Priestern zur Verfügung, welche in der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung tätig sind, im Amt sterben oder während längerer Zeit im Raum der Gesamtkirchgemeinde gewirkt haben. » Die Neugestaltung des Grabmals wurde aus Fonds dreier Pfarreien bezahlt, deren ehemalige Pfarrer im Priestergrab bestattet sind. Das Grab befindet sich im Bremgartenfriedhof Bern, nahe der Friedhofskapelle.
Jürg Meienberg