Fronleichnam. Foto: Jacob Bentzinger, unsplash.com
Hinaus mit und zu den Menschen!
Fronleichnam wird unterschiedlich gefeiert - im Zentrum steht aber immer die Gegenwart Christi.
«Hochfest des Leibes und Blutes Christi» – so lautet der offizielle Name des Hochfests Fronleichnam, das wir 60 Tage nach Ostern in der katholischen Kirche feiern.
Von Ruedi Heim, Leitender Priester des Pastoralraums Region Bern und Pfarrer in Bern-West
Es gibt kaum ein Fest im Laufe des Kirchenjahres, das in seiner äusseren Gestalt so unterschiedlich begangen wird wie dieses. In vielen katholischen Kantonen der Schweiz oder deutschen Bundesländern feiert man mit grossen farbenprächtigen Prozessionen, Blumenteppichen und Altären, während es andernorts ein gewöhnlicher Werktag ist und teilweise am Sonntag darauf nachgeholt wird.
Diese grossen Unterschiede habe ich selber auf meinem bisherigen Lebensweg erfahren. Im Thurgau war es ein gewöhnlicher Werktag. In Fribourg im Studium ein festlicher Gottesdienst mit Schweizergardisten, der Landwehr, allen Hochschulverbindungen und Hunderten von Mitfeiernden auf dem Platz von St. Michel gefolgt von einer langen Prozession hinunter zur Kathedrale – ein barockes Spektakel, das ich so vorher noch nie gesehen hatte.
In Rom dann wieder ein gewöhnlicher Werktag mit einer abendlichen Prozession mit dem Papst von San Giovanni nach Sta. Maria Maggiore – übertönt vom Verkehrslärm der Millionenstadt. In Sursee und Menzingen später ähnlich wie in Fribourg, aber etwas kleiner.
Als Bischofsvikar dann an verschiedenen Orten zur Aushilfe, meist aber in einer Ferienwoche von Menschen mit Behinderung in Delémont – Fronleichnam reduziert auf eine schlichte Feier, in welcher Gemeinschaft und Wertschätzung, Wohlwollen und Nähe im Teilen von Brot und Wein, von Leib und Blut Christi miteinander für mich besonders spürbar waren.
Fronleichnam nun in Bern – wieder ähnlich schlicht und nüchtern wie in meiner Kindheit. Weil nicht wenigen Katholik*innen in Bern die grossen Prozessionen mit ihren barocken Formen und Traditionen fehlen dürften, ist es sinnvoll, sich vor Augen zu halten, dass es nicht eine einzige, richtige Form für dieses Hochfest gibt. In allen Weisen, die ich selber erlebt und gefeiert habe, stand letztlich der eine zentrale Inhalt im Mittelpunkt: In den eucharistischen Gaben von Brot und Wein ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, nicht nur symbolisch gegenwärtig, sondern darin setzt sich fort, dass seine Gegenwart mit allen Sinnen erfahr- und spürbar ist.
Kinder wollen anfassen, wollen alles berühren – das Sehen allein reicht ihnen nicht. Genauso wie Thomas, der fragende Jünger, welcher nach Ostern ertasten und berühren will, dass dieser Jesus gegenwärtig ist. Aus diesem Wunsch, dass Glaube nicht nur eine Gefühls- oder Verstandessache sei, entstanden seit dem 13. Jahrhundert und nach der Reformation auch als katholische Selbstvergewisserung Formen und Ausdrucksweisen, die alle Sinne ansprechen wollen.
Weihrauch und Glocken begleiten die Monstranz, in der das Allerheiligste durch die Strassen getragen wird. Für mich kommt damit vor allem zum Ausdruck, dass Glauben unser ganzes Leben prägt, nicht nur das Sich-Versammeln zum Gottesdienst. Christ*in bin ich auf den Strassen dieser Welt; dort, wo ich lebe und arbeite. Dort, wo ich Menschen begegne.
Glauben ist nie eine private Angelegenheit, sondern soll öffentlich praktiziert und für andere sicht- und erlebbar sein. Des Weiteren muss das Sinnliche in unseren Feiern, Gottesdiensten und Kirchen immer wieder erfahrbar sein. Ich brauche neben meinem Verstand und meiner Innerlichkeit auch meine Sinne. Sie sind viel mehr als «Krücken», die beim Unterwegssein im Glauben unterstützen. Sie machen deutlich, dass ich als Mensch Seele, Geist und Körper bin. Wie auch immer wir Fronleichnam feiern – es soll zum Ausdruck bringen, dass Glaube den ganzen Menschen meint und betrifft.