Auch in der Schweiz ist es für queere Priester und Theolog:innen schwierig, eine Stelle in der katholischen Kirche zu bekommen. Foto: Screenshot ARD-Mediathek
Homosexuelle im kirchlichen Dienst?
So ist die Situation in der Schweiz.
Ein kollektives Coming-Out von 125 Personen war diese Woche in einem Dokumentarfilm in der deutschen ARD zu sehen. Wie ist die Situation für Homosexuelle, die eine kirchliche Anstellung möchten, in der Schweiz? Das «pfarrblatt» ist dieser Frage nachgegangen.
Von Sylvia Stam
125 Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, haben sich diese Woche in einer Dokumentationssendung geoutet. Sie alle sind in der katholischen Kirche Deutschlands tätig, als Priester, Religionslehrerinnen, Jugendarbeiter, aber auch als Ärztinnen oder Krankenpfleger an katholischen Spitälern.
Für kirchliche Angestellte gilt in Deutschland die «Grundordnung des kirchlichen Dienstes», welche die deutschen Bischöfe 2015 in einer revidierten Fassung vorgelegt haben. «Die Beschäftigten müssen danach bestimmte Loyalitätsverpflichtungen beachten und erfüllen. Dazu gehört auch das Ausrichten der eigenen Lebensführung an den Grundsätzen der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre», erläutert Kirchenrechtler Georg Bier im Interview mit kath.ch.
Entscheidend ist die so genannte «missio»
In der Schweiz gilt diese Grundordnung nicht, Anstellungen werden über das duale System von Bistum und staatskirchenrechtlichen Körperschaften geregelt. Anstellende Behörde ist im Bistum Basel die jeweilige Körperschaft, also Kirchgemeinden oder Kantonalkirchen. «Die Körperschaften unterstehen dem öffentlichen Recht, entsprechend gibt es keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung etc.», sagt Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, dem Zusammenschluss der Kantonalkirchen, auf Anfrage. Sakristaninnen, Pfarreisekretäre, Kommunikationsbeauftragte oder Jugendarbeiterinnen können also auch in der Kirche arbeiten, wenn sie in eingetragener Partnerschaft leben.
Anders sieht es für Priester, Diakone, Theolog:innen und Religionspädagog:innen aus, die für ihre Tätigkeit zusätzlich eine Beauftragung des Bischofs benötigen, die sogenannte «missio canonica», meist einfach «missio» genannt. Diese braucht es insbesondere dann, wenn die Stelle mit einem Auftrag der Verkündigung und der Feier der Sakramente verbunden ist.
«Im Bistum Basel ist es in der Regel nicht möglich, in einen kirchlichen Dienst, der eine «missio canonica» voraussetzt, neu aufgenommen zu werden, wenn die betreffende Person in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt», schreibt Barbara Kückelmann, Pastoralverantwortliche und Ansprechperson für den Arbeitskreis Regenbogenpastoral im Bistum Basel, auf Anfrage des «pfarrblatt».
Stellen ohne «missio»
Wenn der Bischof die «missio» verweigere, so könne die Person für diese Funktion nicht angestellt werden, ergänzt Daniel Kosch. «Ein Seelsorger, der sich öffentlich zu einer gelebten homosexuellen Partnerschaft bekennt, und dem der Bischof für eine bestimmte Stelle die «missio» verweigert, kann nicht angestellt oder gewählt werden, es sei denn, man komme mit dem Bischof überein, dass es für diese Stelle keine «missio» braucht und das Anstellungshindernis damit entfällt», führt Kosch aus, dem selber allerdings kein solcher Fall bekannt ist. Aus den Zeilen wird dennoch deutlich, dass ein Bischof oder Bischofsvikar hier offenbar einen gewissen Ermessensspielraum hat.
Auf die Frage, ob offen zu ihrer Homosexualität stehende Theolog:innen oder Religionspädagog:innen eine kirchliche Anstellung bekämen, für die keine «missio» erforderlich ist, antwortet die Pastoralverantwortliche des Bistums: «Wenn sich Seelsorgende auf Stellen bewerben, die keine «missio canonica» voraussetzen, so stellt sich die Frage gar nicht.»
Im Klartext heisst das, dass homosexuelle Personen sehr wohl für solche Stellen eingestellt werden können, weil dann einzig das Personalrecht der Körperschaft gilt.
Beispiel Citykirchen
Um eine solche Stelle handelt es sich beispielsweise bei der Leitung der Peterskapelle Luzern, einer Citykirche, die im Sommer neu besetzt wird. Diese sei nicht als Missio-Stelle ausgeschrieben worden, heisst es auf Anfrage bei der Katholischen Kirche Stadt Luzern. In deren Anstellungsbedingungen spiele die sexuelle Orientierung denn auch keine Rolle.
Ab Juni wird der Theologe Meinrad Furrer die Peterskapelle leiten, der offen zu seiner Homosexualität steht und sich aktuell bei der Katholischen Kirche der Stadt Zürich auch für die Interessen queerer Menschen einsetzt. Im Mai 2021 etwa segnete er in Zürich öffentlich homosexuelle Paare, kurz nachdem der Vatikan ein solches Segnungsverbot ausgesprochen hatte. «An der Kirchenbasis gibt es eine grosse Akzeptanz gegenüber queeren Menschen, auch queeren Pfarrern oder Seelsorgerinnen», sagte Furrer gegenüber Radio SRF. «Viele Bischöfe sind in der Zwickmühle, sie sind der Lehrmeinung verpflichtet, den Vorgaben aus dem Vatikan, auch wenn sie persönlich sehr offen sind.»
«Eine gewisse Willkür»
Mit Personen, die bereits im kirchlichen Dienst stünden und eine «missio» hätten, werde die Situation «individuell besprochen und nach einer für alle Beteiligten tragfähigen Lösung gesucht», so Kückelmann weiter. Für Priester gelte die Zölibatsverpflichtung, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.
Bruno Fluder, Sprecher von Adamim, dem Verein der schwulen Seelsorger, gibt dennoch zu bedenken: Für viele Mitglieder des Vereins sei «ein möglicher Stellenverlust bei einem öffentlichen Comingout zu bedrohlich». Adamim unterstütze daher die Forderung nach Änderungen im Personalrecht, wie sie im deutschen Dokumentarfilm gefordert wird, um homosexuellen Mitarbeitern Rechtssicherheit zu verschaffen. Denn «noch herrscht auch in den Schweizer Bistümern diesbezüglich eine gewisse Willkür.»
«pfarrblatt»-TIPP
«Wie Gott uns schuf» - Hundert Gläubige outen sich und berichten von ihren Erfahrungen als queere Menschen in der katholischen Kirche. Dokumentation und multimediales Projekt von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny D 2022, ARD Mediathek.
Sämtliche Interviews der 100 queeren Menschen sind separat online, unter anderem jenes mit dem Schweizer Theologen Pierre Stutz.