«Es wird aktuell für politische Zwecke alles miteinander aufgekocht.» Ursula Zybach. Foto: Keystone, Thomas Delley
«Ich bin gegen eine durch Empörung geprägte Politik»
SP ist gegen die Sistierung der Gelder an die katholische Kirche
In verschiedenen Motionen fordern Berner Kantonsparlamentarier:innen Anpassungen des Kirchengesetzes, der Grünliberale Tobias Vögeli will gar die Sistierung der Auszahlung der Kantonsgelder an die katholische Landeskirche. Ursula Zybach* (SP Spiez) findet das falsch.
Von Andreas Krummenacher
Nun reagiert auch die SP des Kantons Bern auf die «pfarrblatt»-Anfrage zu den verschiedenen Vorstössen im bernischen Grossen Rat im Zusammenhang mit der Vorstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz.
Vor Wochenfrist reichte Grossrat Tobias Vögeli (Grünliberale Frauenkappelen) eine Motion ein, in der er fordert, Kantonsgelder für die römisch-katholische Landeskirche sollen so lange eingefroren werden, bis ein Schutzkonzept vor sexuellen Übergriffen vorliege (das «pfarrblatt» berichtete).
Verschiedene Parteien haben daraufhin auf unsere Anfrage reagiert (auch darüber haben wir berichtet). Heute nun stellt sich die SP des Kanton Bern klar gegen die Motion Vögeli. Grossrätin und Fraktionsvizepräsidentin Ursula Zybach (SP Spiez) sagt auf «pfarrblatt»-Anfrage, das Vorgefallene sei schrecklich und müsse lückenlos aufgeklärt werden. Gleichzeitig will sie aber Gelder an die Kirche nicht zurückbehalten.
«pfarrblatt»: Sie sind gegen die Sistierung der Gelder, wieso?
Ursula Zybach: Die Vorfälle innerhalb der katholischen Kirche sind aus Sicht der SP höchst problematisch und klar zu verurteilen. Die Vergangenheit muss weiter und lückenlos aufgearbeitet werden. Es braucht konkrete präventive Massnahmen, damit dies nicht erneut geschehen kann und falls möglich auch eine adäquate Form der Entschuldigung.
Man muss jedoch aufpassen, dass man nicht vorschnell Schlüsse zieht. Aus dem historischen Bericht der Uni Zürich entsteht auch ein schwerer Generalverdacht gegen Angestellte der katholischen Kirche im Kanton Bern, es gibt aber keine laufenden rechtlichen Verfahren, es ist eine unabhängige historische Analyse.
Das ist so korrekt, was aber sind Ihre Argumente?
Es geht um geltende Leistungsvereinbarungen, um wichtige und unverzichtbare Aufgaben, welche die Kirchen leisten. Die Mittel bei der Kirche zu kürzen, finde ich zudem grundsätzlich falsch. Die Kirchen im Kanton Bern machen eine gute und wichtige Arbeit.
Persönlich bin ich gegen eine durch Empörung geprägte Politik. Ich setze mich ein für eine lösungsorientierte Politik. Eine Sistierung trägt nicht viel zur Problemlösung bei.
Erfährt hier die Kirche eine Sonderbehandlung?
Lassen Sie mich ein Beispiel machen. Stellen wir uns ein Hilfswerk vor, das vom Kanton für genau definierte Leistungen finanziell entschädigt wird. Eine wissenschaftliche Studie würde nun aufzeigen, dass leitende Angestellte vor längerer Zeit massive sexuelle Übergriffe begangen haben. Würde nun der Kanton die Gelder für das Hilfswerk sistieren und damit laufende Verträge aussetzen? Mit Sicherheit nicht. Die Politik würde Aufklärung einfordern und Massnahmen verlangen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommen kann. Und man würde auf Wiedergutmachung pochen.
Gelder würden tatsächlich nicht sistiert?
Auf keinen Fall. Verträge haben ihre definierte Gültigkeit und werden nicht einfach auf Basis einer historischen Aufarbeitung sistiert. Wichtig wäre in diesem Fall die Prüfung auf rechtliche Konsequenzen.
Die Kirchen im Kanton Bern machen eine gute und wichtige Arbeit.
Ist das also alles Wahlkampf?
Nicht auszuschliessen. Es geht wohl aktuell viel mehr um die Abschaffung der Kirchensteuern für juristische Personen, also für Firmen. Und man will nicht, dass sich die Kirchen einmischen. Es wird oft kritisiert, dass sich die Kirchen sozial engagieren. Es ist jetzt ein idealer Moment, den Einfluss der Kirchen einzudämmen.
Die Motion von Carlos Reinhard (FDP Thun) ist ebenfalls hängig, er will die Kirchensteuern quasi abschaffen, Firmen könnten sie als freiwillige Abgabe leisten.
Es wird aktuell für politische Zwecke alles miteinander aufgekocht. Die Studie giesst mit ihren schwer erträglichen Resultaten Oel ins Feuer.
Tobias Vögeli würde einwenden, diese Aufgaben wären grundsätzlich staatliche Aufgaben. Teilen Sie diese Meinung?
Nicht wirklich. Es gibt seelsorgerische Bereiche die weiss Gott der Staat nicht übernehmen kann. Die Kirchen übernehmen hier wichtige gesellschaftliche Aufgaben. Würde dies alles gestrichen, müsste der Kanton notgedrungen einspringen.
Der Kanton verfügt aber weder über die Ressourcen noch über kompetentes Personal in diesem Bereich.
Man könnte doch dann die Gelder dafür einsetzen, die man bei den Kirchen spart.
Die Kirchen erfüllen diese Aufgaben viel effizienter. Es gibt unzählige Freiwillige, es gibt Angestellte, die auch ehrenamtliche Aufgaben übernehmen. Beim Kanton müssten Sie Fachpersonen anstellen und das wäre viel teurer. Der Staat müsste diese Angebote rigoros kürzen, leidtragend wäre die ganze Gesellschaft.
*Ursula Zybach (SP Spiez) ist Grossrätin und Vizefraktionspräsidentin.