«Solange es noch Menschen gibt, die sich für Reformen aufopfern, werden wir sie unterstützen.» Rita Famos. Foto: Keystone

«Ich glaube in dieser Sache mehr an Taten als an Worte»

Rita Famos, Präsidentin der Reformierten, zu sexuellem Missbrauch in der kath. Kirche

Für die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) sind die Berichte zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ein Zeichen dafür, dass es tiefgreifende Reformen braucht. Ein konfessionelles Schaulaufen sei der Thematik aber unangepasst.

Von Sylvia Stam

Die Präsidentin der EKS Rita Famos reagiert auf die Vorstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche (das «pfarrblatt» berichtete). Auf «pfarrblatt»-Anfrage nimmt sie zu konkreten Fragen Stellung.

Es gebe innerhalb der röm.-kath. Kirche viele Fachleute, «die schon lange die notwendigen Reformen erkannt haben und entsprechend Forderungen stellen.» Man habe die Hoffnung, dass die Ergebnisse nicht nur den Druck auf die Bischöfe erhöhen werde, «sondern auch die RKZ in ihren langjährigen Reformbestrebungen stärken wird.»

Rita Famos ist Pfarrerin und seit November 2020 Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz
 

«pfarrblatt»: Was lösen die Resultate bei Ihnen persönlich aus?

Rita Famos: Ich empfinde tiefes Mitleid mit den Opfern. Mir sind nicht nur die Zahlen sondern auch die Fallstudien im Bericht unter die Haut gegangen. Und ich bin empört darüber, dass viele Fälle hätten verhindert werden können, wenn die Verantwortlichen ihre Verantwortung wahrgenommen hätten. Und ich hoffe, dass dieser Zwischenbericht jetzt wirklich allen Zuständigen vor Augen führt, dass es tiefgreifende Reformen braucht.

Bislang hat die EKS nicht offiziell zur Publikation der Studie Stellung genommen. Weshalb nicht?

Die letzten Tage haben gezeigt, dass der öffentliche Druck gross genug ist. Ausserdem gibt es innerhalb der römisch-katholischen Kirche sehr viele Fachleute, die schon lange die notwendigen Reformen erkannt haben und entsprechend Forderungen stellen. Ein konfessionelles Schaulaufen ist der Thematik unangepasst. Ausserdem glaube ich in dieser Sache mehr an Taten als an Worte: Wie eine demokratische, geschlechtergerechte Kirche mit einer zeitgemässen Sexualmoral ausschauen könnte, leben wir seit Jahrzehnten vor.

Als ökumenische Partnerkirche arbeitet die EKS mit vielen katholischen Organisationen zusammen. Was bedeuten die Resultate der Studie für die ökumenische Zusammenarbeit?

Grundsätzlich ändert sich wenig. Wir arbeiten in langfristigen Beziehungen mit vielen sehr professionellen römisch-katholischen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Sie leiden unter den Ergebnissen und der Struktur, die zu diesen Missbrauchsfällen führt. Ich habe aber die Hoffnung, dass die Ergebnisse nicht nur den Druck auf die Bischöfe erhöhen wird, sondern auch die RKZ in ihren langjährigen Reformbestrebungen stärken wird.

Skandale innerhalb der katholischen Kirche führen auch zu Austritten aus der Evangelisch-Reformierten Kirche. Spüren Sie das Bedürfnis, sich zu distanzieren?

Natürlich spüre ich diesen Impuls. Ja, es macht mich wütend, wenn ich lese, dass Missbrauch systematisch vertuscht wird. Gleichzeitig würde eine Distanzierung genau die Falschen treffen, mit denen wir uns verbunden fühlen und auf die wir zählen. Solange es noch Menschen gibt, die sich für Reformen aufopfern, werden wir sie unterstützen und mit ihnen hoffen, dass tiefgreifender Wandel möglich ist.

Als Präsidentin der EKS sind Sie in Gremien mit katholischen Amtsträgern. Gegen mehrere Bischöfe läuft eine kirchliche Voruntersuchung aufgrund von Vertuschungsvorwürfen. Was bedeuten die Vorwürfe für Ihr Vertrauen in diese Amtsträger?

Vertrauen entsteht, wenn man Irritationen offen benennt. So werde ich sicher beim nächsten Zusammentreffen ansprechen, was mich beschäftigt. Ich möchte nicht vorschnell über einzelne Amtsträger urteilen. Ich weiss, dass Menschen Fehler machen. Entscheidend ist, ob sie dazu stehen und die nötigen Konsequenzen ziehen.

(Bearbeitung kr)