Die Seelsorger:innen müssen bei den Menschen sein. Punkt. Bischof Felix Gmür will seine Kirche bei den Menschen wissen. Er hält nichts von komplizierten Rezepten und Strategien. Foto: Sylvia Stam
«Ich halte nichts von ausgeklügelten Strategien»
Bischof Felix Gmür über Krieg, Ohnmacht und Erneuerung
Am Rande der Medienorientierung zur Versammlung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) vom 7.-9. März (siehe unten) sprach deren Präsident Bischof Felix Gmür über brennende Fragen der katholischen Kirche.
Interview und Text: Andreas Krummenacher
«pfarrblatt»: Beginnen wir mit der aktuellen Situation. Der Krieg in der Ukraine macht vielen Menschen Angst, wir sind ohnmächtig. Gibt es dazu einen seelsorgerlichen Rat, wie kann man mit dieser Ohnmacht umgehen, wie gehen Sie allenfalls damit um?
Bischof Felix Gmür: Beten, das heisst Reden mit Gott, versuchen, die Ohnmacht zu formulieren, mit anderen Menschen austauschen, diskutieren, gemeinsam Hilfe planen und anbieten, wo es möglich ist, sich nicht abschotten.
Es gibt weiterhin keine Neuigkeiten zum Amt des Weihbischofs. Wann gibt es für Weihbischof Denis Theurillat einen Nachfolger?
Wenn der Weihbischof da ist, werden wir informieren.
5400 Menschen haben in 800 Dialoggruppen an der Umfrage zum Synodalen Prozess, also zur Erneuerung der katholischen Kirche, im Bistum Basel teilgenommen. Sind Sie mit dieser Beteiligung zufrieden? Ist das für Sie ein Erfolg?
Erfolg ist bekanntlich keiner der Namen Gottes. Es ist aber offenbar eine gute Beteiligung, sagen die Expertinnen und Experten vom Umfrageinstitut. Innerhalb von vier Wochen bildeten sich 800 Gruppen; sie mussten Termine finden, sich treffen und sich dann jeweils zu zehn komplizierten Fragen austauschen. Das schaffe kaum eine andere Organisation. Wichtig ist: Die Antworten sind keine Einzelmeinungen, sondern Gruppenrückmeldungen.
Gemäss Umfrage schneidet Papst Franziskus besser ab als «Führungspersonen im Bistum Basel». Von ihnen fühlen sich 65 Prozent nicht gehört oder verstanden – jedoch bloss 46 Prozent nicht von Papst Franziskus. Wie interpretieren Sie das?
Das haben wir intensiv diskutiert. Der Papst ist weit weg. Es ist offenbar ein Medienphänomen. Der Papst ist ständig präsent. Die Menschen sehen ihn im Fernsehen, sie sehen ihn überhaupt in den Medien und meinen dann, er höre ihnen direkt zu.
Was unternehmen Sie?
Nichts. Das ist das Problem der Fokussierung der Massenmedien auf den Papst. Ich bin weiterhin im ganzen Bistum unterwegs und höre zu und tausche mich mit den Menschen, die da sind, aus.
Gibt es Strategien dagegen?
Die Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen bei den Menschen sein. Ich halte nichts von ausgeklügelten Strategien. Die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mit den Menschen in den Pfarreien leben. Pläne und Strategien sind hier vor allem Papier und kosten unnötig Geld.
Wegen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche überlegen sich Menschen, die Kirche zu verlassen. Wieso sollen sie bleiben?
Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Das geht nicht. Jeder Fall ist wirklich schlimm, und ich bedauere jeden einzelnen Übergriff. Ich bin aber froh, dass wir dieses Problem angegangen sind und intensive Präventionsarbeit leisten. Sie wirkt, denn es gibt praktisch keine neuen Fälle. Wir müssen das stets im Blick behalten.
Der Berner Pfarrer Nicolas Betticher ist überzeugt, die Machtkonzentration in der Funktion eines Bischofs könnte abgebaut werden. Ein Bischof könnte mit einer Notlage argumentieren und beispielsweise das Amt des obersten Richters abgeben. Was sagen Sie dazu?
Das kann man diskutieren. Die Jurisdiktion ist ja delegiert an den Offizial. Ich bin gegen Schnellschüsse. Es gibt keine schnellen und einfachen Ja- oder Nein-Antworten. Es sollte auch, mindestens in der Schweiz, überall gleich gehandhabt werden, sonst gibt es Verwirrung.
Wird es im Bistum Basel möglich sein, dass auch queere Person eine Missio erhalten können, also beispielsweise die offizielle Beauftragung durch den Bischof als Pfarreiseelsorger:in?
Die sexuelle Orientierung ist nicht relevant. Was für die Kirche aber relevant ist, das ist die Partnerschaft. Es geht nicht um die Orientierung, sondern darum, wie man mit dieser Orientierung umgeht. Letztlich ist es eine Frage der Moraltheologie. Sie lässt es nicht zu, einer Person, die in einer kirchlich nicht anerkannten Partnerschaft lebt, eine Missio zu erteilen. Die Moraltheologie ändert sich aber laufend. Wie das weltkirchlich weitergeht, kann ich nicht abschätzen.
Mitarbeit: Sylvia Stam
«Begleitet von unablässigem Friedensgebet»
Die Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) trafen sich vom 7.–9. März im Jura. Themen waren die Ukraine und der Erneuerungsprozess der katholischen Kirche. Die Resultate wurden an einer Medienkonferenz in Bern präsentiert.
An der Medienorientierung in der Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern informierte der Präsident der SBK, Bischof Felix Gmür über die Inhalte des Treffens. Zu Beginn bekundete er die «tiefe Besorgnis in Bezug auf den derzeitigen Krieg in der Ukraine» der Schweizer Bischöfe.
Felix Gmür erinnerte an die gemeinsame Erklärung von Papst Fanziskus und Kyrill I., Patriarch von Moskau, aus dem Jahr 2016. Darin heisse es: «Wir verurteilen die Kriegshandlungen in der Ukraine.»
Weiter sagte Bischof Felix: «Die Schweizer Bischöfe bekunden ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Kriegsopfern in der Ukraine und appellieren, dass diese Situation nicht dazu führen darf, das russische Volk pauschal zu verurteilen oder zu stigmatisieren.» Man rufe dazu auf, «alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit diese Welle der Solidarität nicht abebbt – dies begleitet von unablässigem Friedensgebet».
Bischof Felix hat dem russischen Patriarchen Kyrill I. einen Brief geschrieben. Darin fordert er seinen Amtsbruder dazu auf, «im Namen Jesu Christi, sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür einzusetzen, dass dieser die Militäroperation in der Ukraine umgehend einstellt.»
Synodaler Prozess geht weiter
In diversen Bistümern gab es Umfragen im Rahmen des Synodalen Prozesses. Die Ergebnisse wurden ausgewertet, Berichte liegen vor. Die Bischöfe würden allen danken, «die auf die eine oder andere Weise an der diözesanen Konsultation mitgewirkt haben». Das Vorgehen, die Beteiligung aller sei beispielhaft und solle in Zukunft zu einem üblichen Ansatz werden, um Fragen im kirchlichen und spirituellen Leben zu klären.
Die Phase in den Pfarreien und in den Bistümern sei abgeschlossen. Ein nationaler Bericht werde nun von einer Kommission verfasst. Dieser Bericht soll an der Schweizer Synodalversammlung vom 30. Mai 2022 im Kloster Einsiedeln zur Diskussion gestellt werden.
An dieser Versammlung nehmen alle Bischöfe, Delegierte der Diözesen und Landeskirchen, der Frauenrat, Delegierte der Römisch-katholischen Zentralkonferenz und weitere Gruppen teil. Die Versammlung soll die Diversität der katholischen Menschen der Schweiz abbilden.
Der nationale Bericht wird sodann im Sommer nach Rom geschickt. Der Prozess gipfelt in der grossen Bischofssynode im Herbst 2023.
Neuer Generalsekretär
Neuer SBK-Generalsekretär ist Davide Pesenti. Dieser stammt aus dem südlichen Graubünden, seine Mutter stammt aus dem Tessin, er hat in Freiburg studiert, in Zürich gearbeitet, ist mit einer Jurassierin verheiratet und wohnt in Lausanne. Mehr Schweiz geht nicht. Pesenti arbeitete als Journalist bei Cath-Info: zunächst für cath.ch, dann für «RTSreligion».
Ebenfalls neu ist sein Stellvertreter Martin Wey. Dieser arbeitete 30 Jahre lang für die Stadt Olten. Er war Rechtskonsulent, Stadtschreiber, Stadtrat und seit 2013 schliesslich Stadtpräsident. Im vergangenen Sommer trat Wey ab. Wey studierte in Freiburg Kirchenrecht. Es ist also eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Auf dem Sekretariat der SBK arbeiten ca. 15 Menschen.