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Ich liebe keinen Gott

03.11.2018

Jacqueline Keune hat Mühe mit dem Begriff der Gottesliebe. Gedanken zum Sonntag: 4. November

Im Markusevangelium werden die Gebote der Gottes- und Nächstenliebe als Wegweiser für das Reich Gottes hervorgehoben. Dass buchstäbliche Auslegung nicht immer einfach zu akzeptieren ist, beschreibt hier Jacqueline Keune

Seit ein Mann meinen Namen auf dem zweiten eigenen Klingelschild meines Lebens neben dem Hauseingang mit farbiger Kreide ergänzt hat – Ich liebe J. Keune, liebe ich ihn. – Ich liebe meine irdische Mutter und meinen himmlischen Vater, meine Geschwister alle und die Kinder, die unser Leben teilen. Auch von zwei, drei Freundinnen und Freunden sage ich: Ich liebe sie. – Aber einen Gott lieben?

Ich habe eine Handvoll Menschen im Weiler bei Heitenried sehr lieb, obwohl ich nur schwer sagen könnte, warum, und sie so wenig sehe. Und eine alte tamilische Frau, Kirubananthini, die erste Flüchtlingsfrau überhaupt, mit der ich in Kontakt gekommen bin. Und andere Menschen – reiche und arme, tote und lebende, farbige und weisse, ungelernte und studierte, angesehene und ausgegrenzte –, die mit meinem Herzen verwachsen sind. – Aber einen Gott sehr lieb haben?

Manche sagen gar, dass sie seine Braut seien – Braut Christi, ein ganz und gar befremdlicher Gedanke für mich. Denn: Wie kann ich lieben, was und wen ich noch nie innig in meinen Armen gehalten, was und wen ich noch nie geküsst habe? Wie kann ich lieben, was ich noch nie gesehen, gehört und gesprochen habe? Was lieben, was mich im Stich lässt oder sich nie mit mir freut – nicht irgendwie geistig-geistlich, sondern konkret –, wenn mein Herz vor Freude überschäumt?

«Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.»

So hoffe ich, dass es für Gott in Ordnung geht, dass ich keinen Gott lieben kann – auch nicht mit ergreifenden Gebeten oder erhebenden Messen, wohl aber ein paar seiner vielen Töchter und Söhne. Aber vielleicht ist ihm das eh viel lieber.

«Ausserhalb der Kirche kein Heil», besagt das Dogma. Ein Riesenirrtum. Ich habe mir erlaubt, es abzuändern: «Ausserhalb der Liebe kein Heil» (wobei schon noch genauer zu klären wäre, was das genau meint, Liebe).

Jacqueline Keune, freischaffende Theologin, lebt in Luzern

 

 Liturgische Texte zum Sonntag, 4. November, 31. Sonntag im Jahreskreis
1. Lesung: Dtn 6,2–6
2. Lesung: Hebr 7,23–28
Evangelium: Mk 12,28b–34