Nora Gomringer ist Dichterin. Foto: Judith Kinitz
Nora Gomringer: Zärtlich mit sich selbst umgehen
Im Beichtstuhl: Nora Gomringer
Nora Gomringer, schweizerisch-deutsche Dichterin und Gewinnerin des Ingeborg Bachmann Preises 2015 kennt ihren «Sündenmix». Er gleiche einer Haribo-Mischung.
Interview: Katharina Kilchenmann
Was ist für Sie Sünde?
Nora Gomringer: Alles, was gegen die zehn Gebote verstösst. Und die «kleinen» Varianten: Crèmeschnitten, Küsse von Fremden in Disco-Ecken, Einkaufen trotz Ebbe auf dem Konto.
Gegen welches Gebot haben Sie schon verstossen?
Nora Gomringer: Als ich zehn war, habe ich meine Meerschweinchen durch Fehlernährung getötet. Das hängt mir sehr nach. Ich habe auch schon gelogen. Aber klar, manchmal hilft lügen, um die Würde zu erhalten. Und was das Gebot «Du sollst Vater und Mutter ehren» betrifft, frage ich mich oft, ob und wie viel man als Literatin über seine Eltern – und nahe Menschen überhaupt – schreiben darf.
Was können Sie nur schwer verzeihen?
Nora Gomringer: Wenn jemand Gewalt einkalkuliert, ja, auf sie setzt.
Welcher der sieben Todsünden erliegen Sie am ehesten?
Nora Gomringer: Ich bin weder besonders zornig noch hochmütig, aber vom Rest habe ich einen guten Mix. Es ist wie eine Haribo-Color-Rado-Mischung: Keiner will die Geleefrüchte, alle die Gummischnuller. Doch manchmal kann man sich’s halt nicht aussuchen. Wir müssen schon sehr zärtlich mit uns selbst umgehen, um in diesem Leben zu bestehen.