Bischof Felix Gmür unterzeichnet die neuen Letilinien der Asylseelsorge als SBK-Präsident. Foto: SEM
Im Dienst der Menschenwürde: Religionsgemeinschaften erneuern Asylseelsorge
Anfang November unterzeichneten die Religionsgemeinschaften in Bern neue Leitlinien für die Asylseelsorge. Neben den christlichen Kirchen und dem Verband Jüdischer Fürsorgen (VSJF) ist erstmals auch der muslimische Dachverband (FIDS) dabei.
Annalena Müller
Während Europa sich abschottet und Asylgesetze verschärft, erneuern die Religionsgemeinschaften ihr Engagement in den Bundes-Asylzentren. Anfang November unterzeichneten sie neue gemeinsame Leitlinien für die Asylseelsorge. Neben den christlichen Kirchen und dem Verband Jüdischer Fürsorgen (VSJF) ist erstmals auch der muslimische Dachverband (FIDS) dabei.
Seelsorge als Menschenrecht
Im Zentrum der Leitlinien stehen die Schutzsuchenden. Viele von ihnen erreichen die Asylzentren traumatisiert und nehmen das seelsorgerische Angebot an. Diesen Menschen zu helfen, ihnen in einer «vorurteilslosen und nicht-bewertenden Haltung» zu begegnen, ist der Grundgedanke der Vereinbarung.
Die neuen Leitlinien anerkennen Seelsorge als grundlegendes Menschenrecht, das allen Asylsuchenden zusteht, «unabhängig von deren Religion, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Herkunft, Kultur, persönlichen Überzeugungen oder deren politischer Haltung.» Die Seelsorgenden der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften unterstützen und begleiten die Hilfesuchenden ganzheitlich «mit ihren religiösen, seelischen und sozialen Bedürfnissen».
Vulnerable Situation
Die Leitlinien tragen der vulnerablen Situation der Hilfesuchenden Rechnung und untersagen Seelsorgenden dezidiert jegliche Missionierung («Anwerben für die eigene Religionsgemeinschaft»).
Die Seelsorgenden sind verpflichtet, «ihr Nähe- und Distanzverhalten fortlaufend zu beachten». Die entsprechenden Qualifizierungen und Kontrolle der seelsorgerisch tätigen Personen obliegen den jeweiligen Trägern – also den entsprechenden Kirchen und Verbänden.
Missbrauchs-Prävention bei Landeskirchen
Das Thema Missbrauchsprävention wird in den Leitlinien nicht direkt thematisiert. Mirjam Kromer von «migratio» verweist auf die Landeskirchen, die für die Anstellung der jeweiligen Seelsorgenden zuständig seien. «Für die katholischen Seelsorgenden in den Bundesasylzentren gelten die gleichen Vorgaben und Massnahmen wie für alle Seelsorgenden der jeweiligen Bistümer und kantonalkirchlichen Körperschaften.» Daher gebe es kein separates Präventionskonzept.
Auf Nachfrage des «pfarrblatt» verweist Charles Martig, Kommunikationsbeauftragter der Berner Landeskirche, auf die strengen Anstellungskriterien der Landeskirche. «Die Arbeitnehmenden müssen einen Sonderprivat-Auszug aus dem Strafregister vorlegen. Zudem gibt es Präventionskurse, die vom Bistum Basel und den Pastoralräumen im Kanton Bern veranstaltet werden. Der Besuch dieser Kurse ist für Seelsorgende im Asylbereich verpflichtend.» Martig verweist auf das Präventionskonzept des Pastoralraums Bern, das bereits angewandt werde.
Wichtiges Thema, unterschiedliche Handhabung
Auch bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) sind die Seelsorgenden bei den kantonalkirchlichen Körperschaften angestellt, wie David Zaugg gegenüber dem «pfarrblatt» bestätigt. Aktuell sei die Regelung auf kantonaler Ebene aber unterschiedlich, «so dass die Präventionsarbeit aus Sicht der EKS weiter verstärkt werden soll.» Allerdings sei «der Schutz der persönlichen Integrität, Umgang mit Nähe und Distanz heute Teil der Ausbildung von Pfarrpersonen», so Zaugg weiter.
Die christkatholische Kirche und der VSJF erklären auf Anfrage, dass aktuell keine Seelsorgenden in den Asylzentren tätig sind. Eine Anfrage beim muslimischen Dachverband FIDS, der zwölf Seelsorgende stellt, blieb ohne konkrete Antwort. Mirjam Kromer von «migratio» bestätigt, dass «die Frage nach der Prävention jeglicher Form von Missbrauch ein wichtiges Thema beim Erstellen der Leitlinien war» und allen Beteiligten die Bedeutung bewusst sei.
Flüchtlingsrealität
Die neuen Leitlinien tragen der Migrationsrealität Rechnung. Unabhängig der politischen Abschottung steigen die Zahlen der Asylgesuche. 2023 waren es in der Schweiz gut 30'000, sagt die Mediensprecherin des SEM, Magdalena Rast.
Da die Schutzsuchenden oftmals keine Angaben über ihre Religionszugehörigkeit machten, habe das SEM keine belastbaren Daten zu der Frage, so Rast gegenüber dem «pfarrblatt». Aber aufgrund der globalen Krisenherde des letzten Jahrzehnts ist eine Zunahme muslimischer Asylsuchenden anzunehmen. Dass die Religionsgemeinschaften dies in ihren Angeboten anerkennen, sei wichtig, findet Isabel Vasquez, Nationaldirektorin von «migratio». Die interreligiöse Zusammenarbeit bestehe schon seit einigen Jahren, nun auch formell. Das sei sehr erfreulich. «Grundsätzlich steht meist aber nicht die religiöse Zugehörigkeit im Vordergrund, sondern die zwischenmenschliche Begegnung, das Da-Sein und Zuhören der Seelsorgenden. Ein Kern der Seelsorge zeigt sich hier: die bedingungslose Hinwendung zum Mitmenschen.»
Seelsorgende im Asylbereich
Derzeit sind 18 römisch-katholische, 24 evangelisch-reformierte und 12 muslimische Seelsorgende für die Arbeit in BAZ akkreditiert. Die Stellenpensa bewegen sich in den meisten Fällen zwischen 15-50%.
Von den insgesamt 42 christlichen Seelsorgenden sind acht an den Flughäfen Zürich und Genf tätig. Die Seelsorge mit Asylsuchenden findet dort nur in kleinem Umfang statt, da sich in diesen Zentren fast keine Asylsuchende aufhalten. In den «normalen» BAZ sind entsprechend 36 christliche Seelsorgende tätig. Die muslimische Seelsorge ist an den Flughäfen bis anhin nicht im Einsatz.