Ein Daheim auf Zeit: das «Haus für Kinder» in Ittigen. Foto: zVg

Im «Haus für Kinder» finden Kinder mit Beeinträchtigungen ein Stück Normalität

In Ittigen finden Kinder mit Beeinträchtigung ein Zuhause auf Zeit. Das integrative Wohnprojekt «Haus für Kinder» folgt einem ganzheitlichen Ansatz.


Christian Geltinger* 

«Unser Ziel ist es, den Kindern so viel Normalität wie möglich zu bieten», so Julia Lindt. Dabei ist der Alltag mit einem Stamm von rund 30 Kindern mit vielfältigsten Beeinträchtigungen, die an wechselnden Wochentagen das «Haus für Kinder» besuchen, alles andere als normal. Das verraten schon die unterschiedlichen Namensschilder an Schränken und Garderoben. 

Gleichzeitig hängen überall persönliche Gegenstände, warten die eigenen Kuscheltiere oder Rennautos in den Regalen auf ihre Besitzer. Den Kindern soll ein maximales Gefühl von Vertrautheit und Alltag vermittelt werden. Aber auch an den verschiedenen Kinderwägen und Betten kann man die individuellen Bedürfnisse der Bewohner erkennen.

Organisationstalent und Flexibilität gefragt

«Wir haben Kinder, die zwei komplette Tage und Nächte pro Woche kommen, manche Kinder sind über einen längeren Zeitraum bei uns. Teilweise gehen sie tagsüber in die Schule oder in den Kindergarten, es gibt aber auch Kinder, die das nicht können. Viele Kinder sind mehrfach beeinträchtigt und brauchen insbesondere nachts eine ständige Überwachung, um sie vor Unfällen zu bewahren. In den meisten Zimmern findet sich deshalb auch ein Video-Babyphone.»

 Da ist viel Organisationstalent und Flexibilität gefragt. Das geht nur mit einem eingespielten Team aus Pflegenden und Sozialpädagog:innen, die jeweils ein ganzheitlichen Blick auf jedes einzelne Kind haben, sich intern gut absprechen, aber auch einen engen Bezug zu den Kindern haben. «Mir ist gerade in einer Einrichtung wie dieser das Arbeitsklima sehr wichtig. Natürlich macht das auch etwas mit uns. Wir reden viel miteinander und führen Supervisionen durch», so Julia Lindt.
 


Sie haben das ganze System im Blick 

Das Angebot der temporären Betreuung ist in dieser Form in der Region einzigartig und dient insbesondere zur Entlastung der Familien. «Wir versuchen immer das ganze System zu sehen. Dazu gehören die gesundheitliche Situation des Kindes, die verschiedenen Therapien und Arztbesuche, ebenso wie die Alltagsstruktur von Schule und Kindergarten und natürlich das soziale Umfeld zu Hause. Viele Familien kommen kräftemässig an ihre Grenzen oder Geschwister fordern mehr Aufmerksamkeit ein.

Hier bieten wir die Möglichkeit, sich temporär Luft zu verschaffen und wieder Energie zu tanken. Für uns ist es wichtig, dass die Eltern wissen, dass ihre Kinder hier gut aufgehoben sind, und für einen Moment durchschnaufen können», so der Sozialpädagoge Paul Hummel, Vorstandsmitglied im Trägerverein.

Lebensqualität, Selbständigkeit und Teilhabe

Das «Haus für Kinder» ist aber nicht nur ein reiner Betreuungsort für Kinder mit Beeinträchtigung. Für alle werden je nach Entwicklungsstand individuelle Förderziele festgelegt, an denen im Alltag gearbeitet wird. Das Ziel ist, den Kindern mit besonderen Bedürfnissen Selbständigkeit und ein hohes Mass an Lebensqualität zu ermöglichen sowie die Teilhabe an der Gesellschaft mit anderen Kindern. 

Ein Schwerpunkt liegt beispielsweise auf den Förderzielen im Bereich Kommunikation: Sich ausdrücken können und auch das Gegenüber zu verstehen, ist ein zentraler Bestandteil für die Teilhabe in einem sozialen System.

Sicher in die Zukunft

Als Julia Lindt von ihren Eltern das «Haus für Kinder» übernommen hat, war es ihr wichtig, das Projekt nachhaltig aufzustellen. «Wir sind jetzt ein Verein und ich bin als Leiterin eingesetzt. Theoretisch könnte das Haus auch ohne mich weiterbestehen. Das war mir ein wichtiges Anliegen. Gleichzeitig haben wir einen Leistungsvertrag mit dem Kanton, womit unsere Arbeit auch finanziell auf eine solide Basis gestellt ist.»

Nichtsdestotrotz ist immer wieder Unterstützung von aussen gefragt. Unter anderem mit Hilfe der Katholischen Kirche Bern konnte ein Lift eingebaut werden. Damit ist das Haus nun barrierefrei. Doch Barrieren, das merkt man schnell, wenn man im «Haus für Kinder» zu Gast ist, sind dazu da, um überwunden zu werden. Darin sind die Mitarbeitenden im Haus für Kinder Experten. Und so blicken sie zuversichtlich in die Zukunft.


*Christian Geltinger ist Leiter Kommunikation des Pastoralraums Bern

Mehr Infos zum Haus für Kinder: www.hausfuerkinder.ch