Die eritreisch katholische Gemeinde in der Schweiz ist besorgt. Sie zeigen hier Bilder katholischer Spitäler in Eritrea, die geschlossen wurden. Foto: Ruben Sprich
«In Eritrea ist die Hölle los»
Spitäler und Schule verstaatlicht. Eritreer*innen in der Schweiz sind entsetzt.
Der Frieden mit Äthiopien vor einem Jahr hat den Religionsgemeinschaften im kommunistisch regierten Eritrea nichts gebracht. Im Gegenteil: Die Repressionen gegen katholische und andere Gemeinschaften nehmen zu, Spitäler und Schulen werden geschlossen. Die eritreische Gemeinschaft in der Schweiz ist höchst besorgt und bittet die Schweizer Bischofskonferenz um Solidarität.
Zu einer Neujahrsfeier sind am Samstag (14. September 2019) Hunderte eritreische Katholiken aus der ganzen Schweiz nach Wabern bei Bern gereist. Weisse Gewänder mit bunten Bordüren, hellblaue Schärpen, Frauen mit weissen Kopftüchern, eine lebhafte Kinderschar und ergreifende Gesänge prägen sich der Besucherin in der Katholischen Kirche St. Michael ein. Eine Etage tiefer ist bereits ein grosser Speisesaal gedeckt, gefüllte Injeras (Omeletten ähnlich, aus Sauerteig) liegen aufgerollt zum Verzehr bereit. Doch was vordergründig bunt, lebhaft und fröhlich erscheint, hat einen traurigen Hintergrund: Die Menschen flohen einst wegen Repressionen und erzwungenem, lebenslangem Militärdienst in die Schweiz; die meisten leben hier mit dem Status als Vorläufig Aufgenommene und befürchten seit dem Friedensschluss eine erleichterte Abschiebung zurück nach Eritrea.
Der Frieden mit dem Nachbarstaat habe jedoch – so der Bericht der Kirchenvertreter in Wabern – nichts an der repressiven Politik gegenüber religiösen Gemeinschaften geändert. Im Gegenteil: Rigoros ging die Regierung diesen Sommer gegen Spitäler und nun Anfang September gegen Schulen der katholischen Kirche vor. Über zwanzig Krankenhäuser, die jährlich rund 200'000 Patientinnen und Patienten unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit behandeln, wurden im Juni geschlossen oder verstaatlicht. Wer zu diesem Zeitpunkt in Behandlung war, wurde auf die Strasse gesetzt, sogar Menschen, die auf Sauerstoff angewiesen waren. Weiter ging die Regierung gegen Nonnen vor und vertrieb sie mit Gewalt aus ihren Klöstern. Anfang September folgte der nächste Schlag mit der Enteignung und Verstaatlichung katholischer Schulen. Sprecher Zenagabriel Haile betonte an der Medienkonferenz: «In Eritrea ist im Moment einfach die Hölle los.»
Gläubige werden verhaftet
Hinter dem rigorosen Vorgehen gegenüber den katholischen Einrichtungen vermuten die Kirchenvertreter einen Racheakt der Regierung gegen kritische Stimmen der Kirchenführung. Die Bischöfe hatten sich an Ostern 2019 mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gerichtet, die Gewalt im Lande kritisiert und demokratische Reformen gefordert. Zudem engagierten sie sich kontinuierlich im sozialen und im Bildungsbereich, was das Regime ebenfalls als Staatsangelegenheit betrachtet. Laut einem «Spiegel»-Bericht vom Juni 2019 besteht weiterhin der Militärdienst auf Lebenszeit. Weil anfängliche privatwirtschaftliche Initiativen rasch wieder unterbunden wurden, sei die Armut gestiegen. Auf dem Weg zu einem Gottesdienst bestehe gar die Gefahr einer Verhaftung.
Die katholische Kirche in Eritrea umfasst lediglich etwa fünf Prozent der Bevölkerung, leistet mit ihren Spitälern, Schulen und sozialen Einrichtung jedoch eine wichtige Rolle für das Wohlergehen der Bevölkerung. Die fünfzig Schulen und hundert Kindergärten, die nun geschlossen wurden, sind gerade in ländlichen Regionen oft die einzigen Bildungseinrichtungen. Ohne sie gibt es nun überhaupt keinen Unterricht mehr. Expertin Nicole Hirt vom giga-institut für Afrika-Studien in Hamburg bestätigte am Samstag gegenüber dem «Echo der Zeit» auf Radio SRF den guten Beitrag der Kirche und den schlechten Zustand der staatlichen Bildungseinrichtungen. Ihre Einschätzung: «Das Regime will die Geldflüsse kontrollieren. Da besteht keinerlei Aussicht auf Besserung im Land.»
«Bundesgelder falsch eingesetzt»
Unter diesen Vorzeichen wurde am Samstag auch Kritik am Bund laut: Das EDA finanziert seit 2017 mit einer Million Franken zwei Pilotprojekte zur Förderung der Berufsbildung und erhofft sich dabei die «Vertiefung des zwischenstaatlichen Dialogs» zu Themen wie Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Die Kirchenvertreter reagierten mit Unverständnis: Wenn die Grundschule ausfalle, sei auch keine Berufsausbildung möglich und somit das Geld des Bundes falsch eingesetzt. Die Pilotprojekte laufen Ende 2019 aus. Darauf angesprochen erwiderte das EDA am Montag (oder: diese Woche), die Verstaatlichung kirchlicher Schulen sei Teil des «politischen Dialogs» mit der eritreischen Regierung. Die beiden vom Bund unterstützten Berufsschulen – eine davon unter kirchlicher Leitung – seien nicht betroffen.
Sprecher Zenagabrel Haile beendete die Medienkonferenz mit einem Appell an den Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Felix Gmür: «Die Welt schaut zu, aber ist das korrekt? Lassen Sie nicht zu, dass Unrecht, Angst und Not regiert.» Bis Redaktionsschluss (Dienstag 17.9., 10 Uhr) nahm die Bischofskonferenz keine Stellung.
Hannah Einhaus
Mehr zum Thema
Hintergründe zur Religionslandschaft in Eritrea und zu den Eritreer*innen in der Schweiz, «pfarrblatt» online 16. September 2019
Lesen Sie hier die bewegende Geschichte eines eritreischen Flüchtlings: «4600 Kilometer bis Eritrea», «pfarrblatt» Nr. 13/2019
Downloads (pdf)
Brief des Zentralkomitees der «Eritreischen Katholischen Gemeinde in der Schweiz» an den Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Felix Gmür
Brief des Zentralkomitees der «Eritreischen Katholischen Gemeinde in der Schweiz» an den Landesverantwortlichen für Eritrea im Staatssekretariat für Migration (SEM)
Brief des Zentralkomitees der «Eritreischen Katholischen Gemeinde in der Schweiz» an die Spezialberichterstatterin für Menschenrechte in Eritrea der Vereinten Nationen, Daniela Kravetz