Erlebt die Kirche als «bunte Gemeinschaft mit vielen Gesichtern». Sarah Gigandet, die neue theologische Assistentin des Basler Bischofs. Foto: zVg
«In meiner Kirche wird um Wahrheit gerungen»
Ein Gespräch mit Sarah Gigandet, der neuen theologischen Assistentin des Basler Bischofs.
Seit 1. Oktober ist Sarah Gigandet neue theologische Assistentin des Basler Bischofs. Die temperamentvolle junge Walliserin, die in Uettligen bei Bern wohnt, spricht im Interview über die Schönheit der Kirche, über Konflikte und über muslimische Freunde. Und sie verwahrt sich dagegen, eine Quotenfrau zu sein.
«pfarrblatt»: Wie wird frau persönliche Mitarbeiterin des Bischofs?
Sarah Gigandet: Im Februar half ich bei einer Medienorientierung des Projekts «Für eine Kirche mit den Frauen» mit. Hier kamen Bischof Felix und ich über meine Doktorarbeit ins Gespräch. Im März rief mich der Bischof an und fragte, ob ich an einer Mitarbeit als theologische Assistentin interessiert sei. Ich war überrascht, freute mich und wollte mehr wissen. Nach dem Vorstellungsgespräch sagte ich überzeugt zu.
Bischof Felix hat sich Frauenförderung auf die Fahne geschrieben. Haben Sie keine Angst, als Quotenfrau angesehen zu werden?
Es geht überhaupt nicht um dieses veraltete Etikett Frauenförderung. Bischof Felix hat mich als Theologin angestellt, die fachliche Qualitäten mitbringt und kritisch denkt. Primär geht es in meiner Arbeit um die kompetente Bearbeitung von Themen, die unabhängig davon sind, ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Aber es ist sicher eine Bereicherung, wenn vermehrt Frauen ihre Art zu denken in die Kirche hineintragen.
Welche Aufgaben erwarten Sie?
Ich werde Bischof Felix für seine Reden, Predigten und Texte Informationen zusammentragen, mit ihm analysieren, diskutieren und in Absprache mit ihm Texte verfassen. Einer der ersten Aufträge wird sein, ihm bei der Vorbereitung auf eine Veranstaltung über Christusbilder im Kunstmuseum Basel zu helfen.
Sie werden via Bischof das Bild der Kirche mitzeichnen. Wie soll die Kirche den Menschen begegnen?
Es ist mir ein Herzensanliegen, dass Kirche authentisch ist. Menschen sollen spüren und erleben, dass sie in der Kirche sie selbst sein können. Wichtig ist mir auch, dass das gemeinsame Beten, Gottesdienst feiern und die Sakramente als Quelle der Gemeinschaft gepflegtwerden. In der Kirche darf auch um Wahrheit gerungen werden, es müssen sich nicht alle immer lieb haben.
Mit welchen Themen gilt es derzeit in der Kirche besonders zu ringen?
Spontan fällt mir das Thema Flüchtlinge ein. Als Christin bin ich überzeugt davon, dass wir als Menschen alle Kinder Gottes sind. Das macht mich offen für die Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen. Ich finde es ein sehr schönes Zeichen, dass hier im Bischofshaus eine syrische Flüchtlingsfamilie wohnt. Zugleich lösen die vielen Flüchtlinge auch Zweifel und Ängste in der Gesellschaft aus. Die Flüchtlinge konfrontieren uns mit der Frage nach unseren Wurzeln, nach unserer Heimat und unserer Identität. Darüber müssen wir reden, auch in der Kirche.
Sie stammen aus einem kleinen Ort in den Bergen, wo die Kirche noch im Dorf steht. Wie hat sie das geprägt?
Meine Eltern haben mir eine sehr authentische, weltoffene Form des Christseins vorgelebt. Das gemeinsame Beten und die Teilnahme am Pfarreileben prägten meinen Glauben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in der katholischen Kirche ein Zuhause habe. Meine Identitätsfindung im Glauben wurde aber auch davon mitgeprägt, dass meine besten Freunde während der Kinder- und Jugendjahre Muslime waren ...
…im Wallis?
Ja, das hat sich so ergeben. Es gab in meinem Dorf einen Arzt aus Damaskus, mit dessen Kindern ich befreundet war, im Kollegium in Brig habe ich dann über Jahre mit einer Albanerin das Zimmer geteilt. Wir haben uns sehr oft über unseren Glauben und unsere Kultur ausgetauscht. In den Jugendjahren fragte ich mich immer häufiger: Woran glaube ich, was prägt meine Identität als Christin? Gerade über das Fremde wurde ich dazu angeregt, das eigene noch mehr zu hinterfragen und kennenzulernen. Dies war auch einer der Gründe dafür, weshalb ich mich für das Theologie-Studium entschied.
Sie sind eine moderne, selbstbewusste, junge Frau. Sind Menschen nicht oft überrascht, dass Sie in der Kirche arbeiten?
Das kommt nicht selten vor. Ich sage dann jeweils, dass ich stolz darauf bin, Christin zu sein. Solche Bemerkungen machen mich aber auch nachdenklich. Viele Menschen haben offenbar ein verstaubtes Klischee-Bild von Kirche. Ich selber erlebe Kirche als eine bunte Gemeinschaft mit vielen Gesichtern.
Gerade viele Frauen wenden sich von der Kirche ab…
Ich bin für mehr Mitsprache der Frauen in der Kirche, deshalb habe ich auch wie Bischof Felix das Projekt «Für eine Kirche mit den Frauen» unterstützt.
Die Ästhetik ist Ihr und Bischof Felix‘ gemeinsames Interesse. Wie kann Kirche, wie kann das Bistum Basel schöner werden?
Zunächst: In der Ästhetik geht es nicht primär um das umgangssprachliche Schöne. Es gibt auch eine Ästhetik des Hässlichen. Aber zur Frage: Das würdevolle Feiern von Gottesdiensten kann beispielsweise dazu beitragen, dass die Schönheit in der Kirche erlebt werden kann. Entscheidend dafür ist, dass die mitwirkenden Menschen mit Leib und Seele bei der Sache sind und die Messe nicht einfach durchgerattert wird, wie ich es leider auch schon erlebt habe. Wenn die Liturgie hingegen würde vollgefeiert wird, wie es in vielen Pfarreien geschieht, ist sie ein Raum der erfahrbaren Schönheit Gottes.
Interview: Remo Wiegand, für «pfarrblatt» Bern
Sarah Gigandet (29) stammt aus Münster im Wallis. Sie hat in Freiburg i. Ue. Theologie und Kunstgeschichte studiert und doktoriert. Erste berufliche Erfahrungen in der katholischen Kirche sammelte Gigandet als Katechetin, Krankenhausseelsorgerin und in Pfarrei-Praktika in Visp und Worb. Heute ist sie Mitarbeiterin der Fachstelle Katechese in Deutschfreiburg und seit dem 1. Oktober theologische Assistentin des Bischofs, dies als Nachfolgerin der Luzerner Theologin Livia Wey-Meier. Neben ihrer Arbeit pflegt Gigandet mehrere Hobbys: Sie reitet, tanzt, joggt, wandert, fährt Ski und Langlauf und geht mit ihrer Hündin Nera spazieren. Sarah Gigandet lebt mit ihrem Mann in Uettligen bei Bern.