Bei der Bewerbung als Pfarreisekretärin war Jena Nathans Religion kein Thema. Foto: Pia Neuenschwander
In zwei Welten zu Hause
Seit 2015 arbeitet Jena Nathan als Pfarreisekretärin bei der Pfarrei Heilig Kreuz in Langnau. Ausschlaggebend waren ihre Berufserfahrung und die stimmige Chemie - die Religion hingegen war kein Thema.
Sie sind meist mittleren Alters, christlich und europäisch. Bei der letzten Weiterbildung der Pfarreisekretärinnen aus dem Kanton Bern fiel eine aus diesem Rahmen. Jena Nathan ist 33, arbeitet seit drei Jahren im katholischen Langnauer Pfarramt, stammt aus Sri Lanka und ist Hindu. Ein Porträt.
Vorbei an blumengeschmückten Bauernhäusern, grasenden Kühen, Schafen und Pferden geht es ins Emmental. Morgendlicher Nebel hängt über der Landschaft. Kurz vor Langnau taucht die Sonne als matte Scheibe am Himmel auf und lässt das Herbstlaub bei der Ortseinfahrt vollends aufleuchten. Im Pfarramt empfängt uns Jena Nathan mit einem strahlenden Lächeln.
Ihr Vater flüchtete aus Sri Lanka in die Schweiz, als Jenas Mutter schwanger mit ihr war. Sieben Jahre später zogen ihm die beiden nach Aarau nach. «Erst da lernte ich meinen Vater kennen. Anfangs nannte ich ihn immer Onkel», erzählt Jena Nathan. Sie ging zur Schule und machte eine KV-Lehre in der Staatskanzlei des Kantons Aargau. Auf der Verwaltung in Trubschachen stieg sie ins Arbeitsleben ein, später arbeitete sie bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in Langnau.
Mit 18 verliebte sich Jena in Parthi. Auch er ist Tamile. Mit 19 heiratete sie ihn zivil in Langnau, zwei Jahre später feierten sie ein mehrtägiges, traditionell hinduistisches Hochzeitsfest in Sri Lanka. «Als Symbol unserer Verbindung legte mir mein Mann die Thali um, eine Goldkette, die ich heute zu besonderen Gelegenheiten trage.» Also keine arrangierte Hochzeit? «Nein, Parthi und ich haben uns selber gefunden und uns füreinander entschieden.»
Spiritualität leben
2015 wurde Jena Nathan als Pfarreisekretärin in Langnau angestellt. Ob ihr Hindu-Sein mit der Arbeit im katholischen Pfarramt vereinbar sei? Beim Bewerbungsgespräch war sie es, die diese Frage stellte. «Meine Religion war überhaupt kein Thema. Für die Aufgaben hier hat meine Berufserfahrung gut gepasst, und auch die Chemie stimmte.»
Jena Nathan zeigt kurz ihr Büro, dann geht’s zur Kirche vis-à-vis. Im Garten steht ein knorriger Magnolienbaum, am Teich tummelt sich eine Katze. In der Kirche ist es warm und behaglich. Eine Frau betet den Rosenkranz. Der Chorraum leuchtet regenbogenfarben im Licht, das durch die bunten Fenster hereinscheint. Schon vor ihrer Tätigkeit im Pfarramt kam Jena Nathan oft zum Beten hier vorbei. Nun ist sie auch da, um Infomaterial aufzufüllen und nach dem Rechten zu schauen. «Es ist schön und still hier, auch im Gottesdienst. Ich werde ruhig, besonders wenn ich schlecht gelaunt bin. Im Hindutempel ist es ganz anders – voll, laut und farbig.»
Jeden Freitagabend beten, singen und essen die Emmentaler Hindus gemeinsam im Tempel in Bärau. Mit Glocken wecken sie die Aufmerksamkeit der Götter, beten und bitten um Beistand. Auch zu Hause hat Jenas Familie einen Altar für verschiedene hinduistische Götter, unter anderem für den Glücksgott Ganesha. Die Pujas in Bärau werden traditionell in Sanskrit – der Sprache der Götter – gehalten. «Im Haus der Religionen sprechen die Priester Tamilisch. Dort verstand ich erstmals, was sie während der Puja sagen, und spitzte die Ohren», so Jena.
Ob in Bärau oder Bern: Die Hindus bringen Blumen, Früchte oder Reis als Opfergaben. Viele helfen beim Lichterverteilen, bei der Vorbereitung des Essens und beim Aufräumen mit, auch Jenas 10-jähriger Sohn.
Gemeinsam glauben
Jena Nathans Bezug zum Christentum hat sich mit ihrer Arbeit im Pfarreisekretariat nicht verändert. Viele Hindus kommen wie sie oft in die katholische Kirche Langnau, auch wegen der Ähnlichkeiten, die den jeweiligen Glauben ausmachen. «Ihr habt Rorate und Weihnachten, Taufe und Firmung, während wir das Lichterfest, den Geburtstag Ganeshas, den 31. Tag nach der Geburt eines Kindes und das Pubertätsfest nach der ersten Periode eines Mädchens feiern.»
Und Maria erinnert Jena an ihre Lieblingsgöttin Amman – auch Uma oder göttliche Mutter genannt. «Ich lebe in zwei Welten und kenne beide von klein auf gut», so Jena Nathan. «Ich bin als Hindu geboren und habe diese Tradition und Religion in mir. In der Schweiz bin ich gross geworden. Hier bin ich verwurzelt – hier fühle ich mich zu Hause.»
Anouk Hiedl
Mehr zum Hinduismus
www.hinduismus.ch
www.migraweb.ch
Haus der Religionen, Bern
Die nächsten öffentlichen Führungen: Dienstag, 11. Dezember 2018, 14.00 / Freitag, 18. Januar 2019, 15.00 / Mittwoch, 20. Februar 2019, 16.00
Anmeldung, Angebote, Anfahrt: www.haus-der-religionen.ch