Caritas: Platzierung von Kindern in schwierigen Situationen Foto: Shane Rounce, unsplash
Integration dank Pflegefamilie
Caritas platziert Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen bei ausgesuchten Pflegefamilien
Zum Gespräch kommt Ali* direkt nach der Arbeit in den Arbeitskleidern seiner «Bude». Das ehemalige Flüchtlingskind hat im August 2019 eine Lehre als Heizungsmonteur gestartet. Seit drei Monaten wohnt er nicht mehr bei der Pflegefamilie Kunz, welche die Caritas vermittelt hat.
von Regula Heggli, Caritas
Ali war fünfzehn als er ohne Familienangehörige aus Somalia in die Schweiz kam. Fast zwei Jahre lebte er in einem Asylzentrum. Erst einige Tage nach seinem 17. Geburtstag kam er in die Pflegefamilie Kunz. Die Familie hat vier eigene Kinder, davon sind drei heute bereits volljährig. Der Pflegeplatz bei der Familie Kunz wurde durch Caritas vermittelt. Caritas platziert Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen bei ausgesuchten Pflegefamilien. Die offizielle Pflegeplatzierung von Ali dauerte bis zum 18. Geburtstag. Familie Kunz bot Ali jedoch an, auch nach seinem 18. Geburtstag bis zum Lehrbeginn bei ihnen zu bleiben. Trotz seines starken Drangs nach Freiheit nahm Ali das Angebot an.
Helfen aus Nächstenliebe
Familie Kunz entschloss sich lange bevor Ali Anfang 2018 zu ihnen kam, einem Kind in Not ein neues Zuhause zu geben. Nachrichten von Hungersnöten, Umweltkatastrophen und dem Leid geflüchteter Menschen motivierten sie zu helfen. Sie sehen ihr Engagement als eine Bürgerpflicht und ein Gebot der Nächstenliebe.
Die Erinnerungen an das erste Treffen zwischen Ali und Familie Kunz sind sehr unterschiedlich. Der 13-jährige Tim erinnert sich, dass Ali keine «Finken» mitgebracht hatte. Die älteste Tochter war hingegen beeindruckt davon, dass sich Ali alle Namen der Schafe im Stall merken konnte. Beide Erinnerungen lösen Gelächter am Tisch aus. Kathrin, die Pflegemutter, erinnert sich, dass Ali beim Zäunen für die Schafe half und sie sofort sah, dass er gern arbeitet. Dazu meint Ali: «Ich habe in Somalia meiner Mutter auch geholfen, zum Beispiel beim Wasser holen». Als Erklärung fügt er an: «Ich war der Älteste». Stefan, der Pflegevater, hat vor allem das Bild im Kopf, wie Ali sich bei seinem ersten Schnupperbesuch bei ihnen Zuhause in der Stube ein Buch aussuchte und eine Stunde lang in Ruhe neben ihm las.
Integration als gegenseitiger Prozess und bewusster Entscheid
Ali konnte dank der Unterstützung der Pflegeeltern und Pflegegeschwister Fuss fassen und seinen eigenen Weg gehen. Reibungslos verlief das nicht. Aber gerade die Reibung, das Testen der Grenzen, die Diskussionen und das Aufbauen von gegenseitigem Vertrauen waren wichtig. Dazu sagt Kathrin Kunz: «Integration ist ein Prozess. Ali entscheidet selbst, wie weit er gehen will». Darauf angesprochen, was ihm das Zusammenleben in der Pflegefamilien gegeben hat, sagt Ali: «Dass ich einen guten Weg gehen konnte, besser Deutsch lernte und wieder eine Familie habe». Und fügt dann noch an «Wer weiss, wo ich heute sonst wäre: Vielleicht im Gefängnis?»
Familie als Schutz
Stefan Kunz erinnert sich gut daran, dass viele Menschen sie unterstützten. Eine Bekannte der Grossmutter strickte Socken für Ali, er bekam Sportschuhe geschenkt oder die Verkäuferin des Mofas gab einen grosszügigen Rabatt. Stefan Kunz sagt: «Plötzlich konnte ich stolz sein auf die Schweiz». Kathrin Kunz betont, dass eine Familie für einen jungen geflüchteten Menschen einen Schutz darstellt: Durch die Zugehörigkeit zu einer Familie ist er weniger verletzlich.
Alle sind sich einig: «Es ging schnell bis Ali dazu gehört hat». Das ist bis heute so geblieben – auch nach Alis Auszug. Heute ist Ali 19 Jahre alt und lebt in einer Wohngemeinschaft ganz in der Nähe sei- nes Arbeitsorts und nicht weit von der Pflegefamilie entfernt. Ali kommt zum Essen vorbei, hilft bei anfallenden Arbeiten und geht mit einer Portion «Papa Sauce», der feinen Pastasauce von Stefan Kunz, wieder nach Hause. Ali holt sich in der Pflegefamilie auch schulische Unterstützung. Und die Pflegeeltern sagen beide: «Wir machen uns Sorgen, wenn wir länger nichts hören. Und hoffen sehr, dass Ali den eingeschlagenen Weg weiterverfolgt.». Dass Ali erst vor zwei Jahren zur Familie Kunz gekommen ist, spielt dabei keine Rolle.
*Die Namen aller erwähnten Personen wurden geändert.
Informationsabend für interessierte Familien
Die Caritas veranstaltet einen unverbindlichen Informationsabend für interessierte Pflegefamilien. Der Anteil unbegleiteter Flüchtlingskinder ist im Vergleich zur Gesamtzahl platzierter Kinder sehr klein. Die Caritas platziert hauptsächlich andere Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen.
Der Informationsabend findet statt am Montag, 23. März von 19.00 bis 20.30 an der Adligenswilerstrasse 15 in Luzern.
Weitere Informationen: www.familienplatzierung.ch