Weihbischof Denis Theurillat. bischoefe.ch
Jahr des Geweihten Lebens
Lassen wir uns nicht vom Wind der Oberflächlichkeit und Banalität wegtragen, der manchmal in unseren Herzen weht. Im Gegenteil, nutzen wir des Windes Kraft, die immer wieder unser Leben erneuert und dadurch seinen tieferen Wert freilegt. Wir werden entdecken, dass jedes Leben geweiht ist.
Während dieses ganzen Jahres wird immer wieder die Rede sein vom geweihten Leben. Wenn wir vom geweihten Leben sprechen, denken wir in den wenigsten Fällen an unsere eigene Taufe, obwohl dieses Leben genau jenem entspricht, welches aus der Taufe entspringt. Unser Leben kommt von Gott und kehrt zu Ihm zurück, weshalb es in sich selbst die Gegenwart Gottes trägt. Unser Dasein ist also nicht nur menschlich, sondern auch und vor allem göttlich. Die Taufe ist jenes Sakrament, durch das unserem Leben kraftvolle Sichtbarkeit geschenkt wird. Weil wir Gesalbte von Gott sind, ist unser Dasein definitiv mit Gott verbunden. «Gott lässt kein Übel dir geschehen, dein Leben ist geweiht»: Die Worte dieses Liedes berühren mich immer wieder. Der Wunsch Gottes, sogar sein Wille ist begründet in der Tatsache, dass alles Leben Ihm geweiht ist.
Dieses geweihte Leben soll sich in vielfältiger Art und Weise entfalten. Dabei denke ich hauptsächlich an das Leben in Ehe und Familie. Ich denke ebenso an Personen, die freiwillig oder unfreiwillig allein leben. Das ist weder oberflächlich noch banal.
Genausowenig oberflächlich und banal ist es, wenn jemand dem Ruf Gottes, alles zu verlassen, Folge leistet und tatsächlich alles verlässt, um IHM zu folgen. Ja! Das ist weder oberflächlich noch banal. Ich betone das deshalb, weil ich manchmal höre, dass Leute hinsichtlich jener Menschen, die sich im religiösen Leben einsetzen, sagen: «Wenn es ihre/seine Wahl ist, ist es gut.» Aus diesen Worten mag eine gewisse Oberflächlichkeit und Banalität mitschwingen. Ich möchte jedoch mit andern Worten so interpretieren: Im Leben muss man etwas tun, und es ist gut, wenn man wählen kann, was man tut oder tun wird. Freilich hat diese Interpretation nicht die Kraft und das Strahlen wie der Titel des kleinen Buches, welches im Zusammenhang mit dem Jahr des geweihten Lebens unter die Leute gebracht wird: «Aimer, c’est tout donner.» Frauen und Männer des geweihten Lebens sagen uns – als Mitglieder einer Ordensgemeinschaft oder in der Klause eines Eremiten lebend – sie seien Zeichen Gottes unter Tausenden, und sie seien Zeichen Gottes unter Tausenden für Menschen, weil Gott ihnen eines Tages das Zeichen gegeben habe, Ihm für immer zu folgen. In diesem Moment sind sie menschliche Wesen, deren vollständige Hingabe uns berührt und unseren Glauben insofern bereichert, weil sie inmitten dieser Welt bereits auf eine andere Welt hinweisen. Dies ist – theologisch gesprochen – das «Schon Jetzt» und das «Noch Nicht» des Himmelreiches. Solches Leben ist Ausdruck einer radikalen Wahl für Gott, und, indirekt, für den Menschen, und es ist deshalb weder oberflächlich noch banal. Das geweihte Leben, jenes der Männer und Frauen, die alles verlassen haben, um Ihm zu folgen, ist heute gegenwärtig, und es wird auch morgen noch gegenwärtig sein. Gott wird immer rufen, und immer wird der Mensch antworten. Davon bin ich überzeugt. Dies ist meines Erachtens etwas Grosses, etwas Schönes.
Ich wurde angefragt, ab dem 1. Januar dieses Jahres die Verantwortung zu übernehmen für die Orden und die religiösen Gemeinschaften in unserem Bistum Basel. Ich benütze also die Gelegenheit, meiner Anerkennung Ausdruck zu geben gegenüber allen im geistlichen Stand lebenden Frauen und Männern, gegenüber allen Ordensfrauen und -männern für ihr auf diese Weise geweihtes Leben und das leuchtende Zeugnis, welches sie dadurch ausstrahlen. Ich bitte den Herrn, dieses Jahr des geweihten Lebens zu segnen, sodass die Männer und Frauen, die dem Ruf des Herrn gefolgt sind und noch folgen werden, dies grosszügig und freudig tun. «Du rufst mich, Herr, ich komme und ich weihe mich dir.»
+Denis Theurillat Weihbischof des Bistums Basel