Foto: Dmitrij Paskevic / unsplash.com

Jesuiten und ihre Lebensweisheiten

18.02.2019

Ein Beitrag von Angelo Garovi zum Wesen der Jesuitenschulen

Die Jesuiten haben sich vor allem einen Namen gemacht mit ihren vorbildlichen Schulen. Diese sind heute immer noch Eliteschulen; erwähnt sei etwa die Georgetown-Universität in Washington mit ihrem weltweiten Renommee.

Im mittleren und höheren Schulwesen leistete der 1537 vom Spanier Ignatius von Loyola gegründete Jesuitenorden Bedeutendes. Die Jesuitenschulen waren zu dieser Zeit der Gegenreformation vom christlichen Humanismus geprägt; ihr Ziel war der allseitig gebildete christliche Mensch. Grundlage für Unterricht und Erziehung war die Studienordnung der Gesellschaft Jesu (1586). Sie ist ein organisatorisches Meisterwerk, welches das Studium der Ordensjugend und der weltlichen Schüler regelt und jahrhundertelang in der gleichen Form Geltung behalten hat; ihr verdanken die Jesuitenschulen bis heute ihren Weltruf, auch jene in Luzern, Brig, Sitten, Bellinzona, Solothurn, Pruntrut und Freiburg.

Latein war Unterrichts- und Umgangssprache. Klassiker wie Cicero, Quintilian, Ovid, Plautus oder Vergil waren Grundlage des Unterrichts. Die Rhetorik war als «Königin der Wissenschaften» (Ratio Studiorum) von entscheidender Bedeutung und füllte das gesamte letzte Schuljahr. Das wichtigste lateinische Lehrbuch stammte aus der Feder von Cypriano Suarez. Die Kompilation aus Werken von Aristoteles, Cicero und Quintilian wurde unzählige Male gedruckt und in alle Welt verbreitet.

Die Macht der Rede

Suarez’ Lehrbuch der Beredsamkeit war mit den neuen religionspolitischen Zielen der Gegenreformation verbunden. Der Autor preist unter Berufung auf den Schöpfungsplan Gottes die alles beherrschende Macht der Rede und fordert auf, sich ihrer zu bedienen: Die Rede ist nämlich ein Abbild des Denkens. «Das Denken ist gleichsam ein Licht und Glanzpunkt des Lebens, die Sprache ist die Zierde und der Schmuck des Denkens. Es regiert und lenkt das eigene Empfinden, die Rede beeinflusst auch das fremde. Sie ist die bewundernswerte Erscheinungsform des Denkens, die Schönheit der Rede bringt es als ein im Innern verborgenes an das Tageslicht.». Suarez zeigt alle Möglichkeiten der Erfindung von Gedanken auf, das Sammeln und Anordnen des Stoffes, das schöne Sprachkleid für den gefundenen Redestoff mit rhetorischen Figuren und den eigentliche Vortrag.

In den Kollegien gab der Klassenlehrer alle Fächer. Der Unterricht war auf die Ganzheit des Schülers gerichtet – vorbildlich. Dabei wurden auch sportliche und gymnastische Übungen gepflegt, etwa das Ball- und Kegelspiel, Eislauf, Schlittenfahren und Scheibenschiessen.

Höfische Haltung im Jesuitentheater

Eine weitere Besonderheit der Jesuitenschulen waren Theateraufführungen mit Musik. Das Schultheater feierte vor allem in München und Wien grosse Triumphe. Auch kleinere Jesuitenschulen übernahmen diese Tradition. Über das Schultheater in Brig hat Albert Carlen, früherer Rektor des Kollegiums Spiritus Sanctus in Brig (einst eine Jesuitenschule), eine vielbeachtete Arbeit geschrieben. Der Zweck dieser Schuldramen war, die studierende Jugend «im zweckvoll, jedoch ohne wesentlich dichterische Absicht zusammengestellten und aufwandreich inszenierten Theaterspiel zur Eleganz des sprachlichen Ausdrucks, zur formvollendeten Geste und zum sicheren weltmännische Auftreten im künftigen Leben zu erziehen oder wie es kurz formuliert wurde: Die Schüler sollten gehen, stehen und sprechen lernen, die Schüchternheit ablegen und höfische Umgangsformen erwerben» (Carlen). Nach aussen sollten aber allen Kreisen die Grundwahrheiten der Religion eingeprägt werden – die Stoffe stammten meist aus Bibel oder Heiligen-Legenden.

Der Jesuitenpater Franz Lang verfasste für das jesuitische Schultheater eine Anleitung, worin Gesten, Schritte und Haltungen – entsprechend der höfischen Haltung – genau vorgeschrieben wurden. «Höfisch» war tonangebend in Literatur und Kunst der Barockzeit. Das Spiel wurde durch die Regeln der Kunst der grossen Meister der Hochrenaissance bestimmt. Man sehe sich die Statuen und Bilder unserer Barockkirchen an und wird merken, wie diese Regeln befolgt wurden. Höfisches Auftreten, stoischer Geist und religiöse Spannung beherrschten das Jesuitentheater – das bekannteste Jesuitendrama ist «Cenodoxus» von Jakob Bidermann.

Akademische Leitsätze

An den Jesuitenschulen bestanden auch «Akademien»: literarische, musikalische oder soziale Zirkel, Sektionen für bestimmte Wissenschaften; man veranstaltete Vorträge und Disputationen – alles in Latein. Das Ziel der strengen Ausbildung war, sich im Leben mit der von den Jesuiten beigebrachten umfassenden Bildung bewegen zu können – im Sinn und Geist des katholischen Glaubens. Leitsätze dazu waren auch die aphoristisch abgefassten Sentenzen. Auf diesen Pfaden wandelte auch der Jesuitenpapst Franziskus, als er in seiner Ansprache vor der Kurie (22.12.2014) sagte: Eine unserer «Krankheiten» ist, wenn Menschen «die unersättlichen Befugnisse zu vervielfachen suchen und dafür imstande sind, zu verleumden, zu diffamieren und andere in Misskredit zu bringen, selbst in Zeitungen und Zeitschriften, natürlich um sich zur Schau zu stellen und sich fähiger als andere zu präsentieren». Ein jesuitisches Wort – wie die folgenden übersetzten Lebensweisheiten, sogenannten Sentenzen, von Ignatius von Loyola, Baltasar Gracian y Morales und anderen Jesuiten:

• Man darf nichts Unmögliches wollen.
• Geistige Bewegungen können nur mit geistigen Mitteln aufgehalten werden.
• In allen Unterredungen, vor allem, wenn man Frieden stiftet und in geistlichen Gesprächen, muss man darauf achten und damit rechnen, dass alles, was geredet wird, an die Öffentlichkeit kommt.
• Der Mensch, der es unternimmt, andere zu bessern, verschwendet Zeit, wenn er nicht bei sich beginnt.
• Nicht das Vielwissen sättigt die Seele und gibt ihr Befriedigung, sondern das innere Schauen und Verkosten der Dinge.
• Ein guter Rat in spassiger Form ist oft besser als ernste Belehrungen.
• Verschwiegenheit ist der Stempel eines fähigen Kopfes.
• Am Klange erkennt man das Metall, an der Rede den Menschen.
• Nicht alle seine Fähigkeiten und Kräfte soll man sogleich und bei jeder Gelegenheit anwenden.
• Viele möchten in einem Tag verschlingen, was sie kaum im ganzen Leben verdauen können.
• Man muss sich vor dem Siege über Vorgesetzte hüten.
• Ein guter Witz hilft oft schneller als ein guter Rat, der durch langweilige Belehrung hervorgebracht wird.
• Stelle nicht alles zur Schau - sonst wird es morgen keiner mehr bewundern.
• Wenige sind Freunde eines Menschen an sich, viele die seines Glücks.
• Ein gutes Benehmen ist der Schmuck des Lebens, und jeder angenehme Ausdruck hilft wundervoll von der Stelle.

Angelo Garovi