Jure Ljubic: «In Brienz ist das Trauma von 2005 zurück»

Auch zwei Wochen nach dem verheerenden Unwetter stehen die Menschen unter Schock. Langsam wagen sie den Blick wieder nach vorn, sagt der örtliche Diakon, Jure Ljubic.

Auch zwei Wochen nach dem verheerenden Unwetter stehen die Menschen unter Schock. Langsam wagen sie den Blick wieder nach vorn, sagt der örtliche Diakon, Jure Ljubic.

Annalena Müller

«pfarrblatt»: Herr Ljubic, am 12. August hat ein schweres Unwetter schwere Schäden in Brienz angerichtet. Das Aufräumen hat begonnen, der erste Schock ist vorüber – wie geht es den Menschen vor Ort?

Jure Ljubic*: Den Menschen vor Ort sind noch immer in Schock. Sie können zum Teil noch nicht begreifen, was passiert ist. Ich habe das Gefühl, dass das Trauma von 2005, als Brienz von einem schweren Murgang getroffen wurde, wieder hochgekommen ist. Gleichzeitig sind die Leute sehr dankbar, dass es dieses Mal keine Toten gab.

Schlagzeilen machte auch der zerstörte Friedhof. Gibt es einen Unterschied, ob ein Haus oder ein Friedhof von Naturgewalt getroffen wird?

Ljubic: Auf der einen Seite ist es egal, ob es ein Friedhof oder ein Gebäude ist, das zerstört wird. Aber meiner Meinung nach sind wir Menschen sensibler bei Orten, an denen unsere Verstorbenen ruhen. Ich habe daher schon das Gefühl, dass es die Menschen hier sehr mitgenommen hat, ihren Friedhof so zu sehen.

Sie sind leitender Seelsorger. Kommen aktuell mehr Brienzer:innen zu Ihnen und suchen das Gespräch?

Ljubic: Ich habe es persönlich nicht so wahrgenommen, dass mehr Menschen zu uns kommen. Aber ich habe in den letzten Wochen nach den Gottesdiensten viele Gespräche geführt. Zum Beispiel mit einem Gemeindemitglied, deren Haus in der Nähe des Friedhofs liegt und das vom Murgang zerstört wurde. Wir haben lange über das Erlebte gesprochen. Sie war zuhause als es passierte. Und als sie das Wasser mit den Steinen kommen sah, dachte sie, ihre Zeit sei gekommen. Sie ist sehr dankbar, noch am Leben zu sein. Und dafür, dass es dieses Mal in Brienz keine Toten zu beklagen gibt. «Materielle Schäden kann man ersetzen, Menschenleben nicht», hat sie gesagt.

Was sagen Sie den Menschen und wie helfen Sie und Ihr Team?

Ljubic: Es ist schwierig, etwas zu sagen. Man kann nur zuhören und da sein. Als Gemeinde beten wir für die Betroffenen und wir haben auch unsere Dankbarkeit ausgedrückt, dass niemand gestorben ist. Langsam wagen wir den Blick nach vorn. Wir planen eine ökumenische Feier zur Wiedereröffnung des Friedhofs.

*Jure Ljubic ist Diakon und Leiter der Pfarrei Guthirt in Meiringen, die auch für Brienz zuständig ist.