Gerechtigkeit und Frieden. Justitia et Pax wird 50 Jahre alt. Foto: inkje/photocase
Justitia et Pax leuchtet auf Sparflamme
Schwebezustand und 50-Jahr-Jubiläum
Die sozial-ethische Kommission der Schweizer Bischofskonferenz, «Justitia et Pax», wird 50 Jahre alt. Sie befindet sich heute in einer Art Schwebezustand. Seit über sechs Jahren wird sie von Thomas Wallimann-Sasaki als «Ad-interims-Präsident» geleitet. Am 19. November wird der Gründung gedacht.
Georges Scherrer
«Justitia et Pax wird in der Schweiz schon lange als eine Stabskommission der Schweizer Bischofskonferenz angesehen. Das ist eigentlich nicht richtig», sagt der emeritierte Schweizer Bischof Peter Henrici gegenüber kath.ch. Als er der Schweizer Bischofskonferenz angehörte, war er unter anderem auch für die Kommission zuständig.
Justitia et Pax wurde in Rom im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil ins Leben gerufen, verbunden mit dem Wunsch, dass in den verschiedenen Ländern auf den Kontinenten ebenfalls eigene «Justitia et Pax»-Kommissionen gegründet werden. «Es war also eine von Rom abhängige Gründung, die nicht aus einer Bischofskonferenz heraus gewachsen ist.» In der Schweiz wurde sie zu einer Stabskommission der Bischöfe umfunktioniert, bedauert der Bischof. Aufgrund ihrer Geschichte müsste «Justitia et Pax» jedoch Eigenständigkeit aufweisen.
Rücktritte und Protestschreiben
Die Kommission wurde 2012 von ihrem Standort Bern nach Freiburg an den Sitz der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) verlegt– dies auf Kosten der Eigenständigkeit, wie der emeritierte Bischof sagt. Einher mit dem Ortswechsel ging auch die Verkleinerung. Dies ging damals nicht ohne Nebengeräusche vor sich. Der vierköpfige Ausschuss und die Hälfte der Kommissionsmitglieder von Justitia et Pax trat geschlossen zurück.
Damals war der Einsiedler Abt Martin Werlen als Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz zuständig für die Kommission. Ihm überwiesen besorgte Katholiken ein «Memorandum für eine Stärkung und Erneuerung von Justitia et Pax». Dieses forderte die Bischöfe auf, der Kommission weiterhin das nötige Gewicht zu geben.
Am Berner Standort fanden vier Personen ihr Auskommen, heute ist Justitia et Pax noch mit einem 80-Prozent Pensum versehen, das Wolfgang Bürgstein in der Funktion eines Generalsekretärs innehat.
Kirchliches Gremium für die Gesellschaft
In den Ursprüngen ging es darum, dass «Justitia et Pax», so wie es der Name «Gerechtigkeit und Frieden» sagt, sich mit politischen Fragen befasst, erinnert sich der emeritierte Weihbischof. Es war der Versuch, die katholische Soziallehre in konkreten Fällen in der Gesellschaft präsent zu machen. «Justitia et Pax war an die Gesellschaft gerichtet», sagt der Bischof.
Die Idee bestand darin, dass Vertreter verschiedenster Kreise oder Organisationen, also kirchliche «Laien», in diesem Gremium Einsitz haben und ihre Erfahrungen für die Kirche fruchtbar machen. So haben sich immer wieder Nationalräte oder Gewerkschaftsvertreter für die Mitarbeit im Gremium interessiert, so der emeritierte Bischof.
«Man hat versucht, in der Kommission etwas von der Wirklichkeit in der Schweiz einzufangen.» Bern war dafür der ideale Standort, es bestanden immer Kontakte zum Bundeshaus. Henrici geht davon aus, dass der Standort Freiburg für diesen Beziehungsaufbau weniger geeignet ist.
Auch selbstständig aktiv werden
Das Gremium hatte zwei Aufgaben: Es musste der Bischofskonferenz beratend zur Seite stehen und in ihrem Auftrag zum Beispiel auf Vernehmlassungen antworten. Zudem sollte es Themen selbständig aufnehmen und vertiefen. Doch bereits zur Zeit von Bischof Henrici gingen die Aktivitäten der Kommission zurück. Es wurden weniger Themen erarbeitet.
Justitia et Pax machte sich einen guten Namen als Gremium, das Themen vorausschauend aufgriff, die sich als nachhaltig erwiesen. In der Kommission waren globale Gerechtigkeit oder die Mobilität schon früh ein Thema, an denen heute niemand vorbeikommt.
Kommission auf Sparflamme
Um die Kommission ist es stiller geworden. Die personell stark geschrumpfte bischöfliche Kommission vermag nicht alle Aufgaben wahrzunehmen, die ihr aufgetragen sind. Die Reduzierung auf 80-Stellenprozente ist zu wenig, um auf all die vielfältigen globalen und komplexen Themen zu reagieren.
Der Bedarf an ethischen Orientierungen durch die Kirche ist jedoch gross, wie man in den Wandelgängen katholischer Einrichtungen immer wieder hört. Heisse Eisen sind etwa der Klimawandel, Entwicklungen in der Medizin oder auch im Bereich Lebensende.
Kräfte bündeln
Die aktuelle Verfassung von Justitia et Pax ist für viele unbefriedigend. Weihbischof Henrici wünscht sich mehr Eigenständigkeit. Der Präsidenten-Posten ist nach wie vor «ad-interim» besetzt. Möglicherweise würde eine umfassende Bündelung der aktuellen Kräfte dazu führen, dass die sozial-ethische Position der katholischen Kirche Schweiz in der Gesellschaft besser sichtbar werden könnte.
Im sozial-ethischen Bereich der Kirche sind verschiedene Akteure tätig. Mit entsprechenden Fragen setzt sich etwa die «Paulusakademie» in Zürich auseinander. Ebenfalls in Zürich befindet sich das Institut «ethik22» , das von Thomas Wallimann geleitet wird. Mit dem Themenbereich befassen sich universitäre Fachbereiche, die eine Kooperation mit Justitia et Pax eingehen könnten.
Verantwortung der Laien
Eine grössere Selbstständigkeit von Justitia et Pax Schweiz, wie sie in den ersten Jahrzehnten bestand, könnte zudem dazu beitragen, dass die Kommission das Image der Kirche in der Gesellschaft verbessert.
Selbstständigkeit bedeutet, dass die Kommission ihrer ursprünglichen Zielsetzung zugeführt wird, wie sie im Motu proprio «Catholicam Christi ecclesiam» von Papst Paul VI. 6. Januar 1967 festgelegt ist. Dort heisst es, dass «alle Christgläubigen, jeder für seinen Teil, auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Volke Gottes, diese Heilsaufgabe auf sich nehmen» sollen.
Festveranstaltung am 19. November
Die Gründungsversammlung von Justitia et Pax wurde von den Schweizer Bischöfen auf den 27. September 1969 festgelegt. Das Gremium erhielt die Form einer Stiftung. Als Präsident konnte der damalige Bundesrat Roger Bonvin gewonnen werden, wie im Buch «Justitia et Pax, 1969-1993: die Schweizerische Nationalkommission im Spannungsfeld zwischen Kirche und Politik» von Sabine Vonlanthen nachzulesen ist. 1973 wurde die Stiftung in eine «Kommission der Schweizer Bischofskonferenz» umgewandelt. – Am 19. November wird bei einem Festanlass der Gründung von Justitia et Pax in der Schweiz gedacht. (gs)