Kapelle «Notre-Dame des Anges» bei Ouhans. Foto: Hubert Kössler
«J’y suis, je suis content, et je le fais savoir à tout le village»
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
Die kleine Kapelle «Notre-Dame des Anges» aus dem Jahr 1875 liegt auf einem Hügel über dem Dorf Ouhans im französischen Jura. Die Gegend ist bekannt als «Pays de Courbet», weil der Maler Gustave Courbet (1819–1877) im Nachbarstädtchen Ornans lebte und viele Motive für seine Bilder in der wunderschönen Landschaft am Doubs fand.
Im Inneren der Kapelle hängt ein Seil vom Glockenturm herunter. Eine Broschüre lädt die Besuchenden ein, an diesem Seil zu ziehen und die Glocke erklingen zu lassen. Was ich also in anderen Kirchen und Kapellen oft nicht darf und wozu ich gerade wegen dieses Verbots oft gewaltige Lust verspüre, ist hier ausdrücklich erlaubt: Man darf nicht nur, man soll die Glocke läuten.
Denn, so die Broschüre, diese Glocke sei nicht dafür da, zum Gottesdienst einzuladen oder auf ein Unglück hinzuweisen. Sondern das Läuten der Glocke von Notre-Dame des Anges in Ouhans sei eine Weise, um mitzuteilen: Ich bin da; ich bin glücklich, und das ganze Dorf soll das wissen. Also ziehe ich nach Leibeskräften – das ganze Dorf soll ja hören, dass ich da und glücklich bin –, doch: Kein Glockenschlag erklingt. Grosse Enttäuschung. Ist die Glocke kaputt? Hat jemand den Klöppel gestohlen? Ist das Ganze ein Witz?
Kurz danach betritt meine Frau die Kapelle: «Du hast aber ganz schön heftig geläutet», kommentiert sie. Wie nun? Später stellt sich heraus, dass es sich um ein akustisches Phänomen handelt: Das Glockengeläute ist nur ausserhalb der Kapelle zu hören; innen jedoch nicht. Keine Ahnung, warum. Wir testen es ein paarmal – tatsächlich: Es ist so. Lesson learned: Manchmal wissen die anderen besser als du selbst, dass du da bist und dass es dir gut geht. Vertrau ihnen!
Hubert Kössler, Seelsorger im Inselspital