Wie und wann durchbricht das Licht des Glaubens die Schatten des Zweifels? Foto: jm
Kann man glauben lernen?
So habe ich es gelernt: Die zentrale Aufgabe der Katechetin ist das Weitergeben des christlichen Glaubens. Doch – kann man denn Glauben überhaupt lernen, um sich als Christ zu verstehen, und diesen dann an die nächsten Generationen weitergeben?
Eine Frage, die mich in der Arbeit der Katechetinnen-Ausbildung immer wieder beschäftigt. Ich weiss nämlich: Glaube ist Geschenk und daher nicht zu machen, auch nicht einfach zu lernen und weiterzugeben. Diese theologisch richtige Antwort irritiert. Vieles, das unser Leben betrifft, ist Geschenk. Zu diesen Geschenken gehört zum Beispiel die Gesundheit. Ich kann durch sinnvolle Ernährung und Bewegung zwar zur Erhaltung etwas beitragen. Aber ich kann die Gesundheit nicht alleine machen. So gibt es auch günstige Rahmenbedingungen für das Geschenk des Glaubens. Hier stehe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Fachstelle Religionspädagogik in der Verantwortung. Unsere Arbeit besteht darin, Katechetinnen und Katecheten auf eine Art Hebammenaufgabe vorzubereiten. Konkret: Fähigkeiten zu fördern und Möglichkeiten zu erschliessen, die der Katechetin helfen, das Geschenk des Glaubens bei den Kindern behutsam zu öffnen und danach zu begleiten. Das Kind, der Jugendliche wird in dieser Arbeit angeleitet, seiner Seele Gutes zu tun, sein Verhalten als Christ immer wieder zu befragen und aus der Beziehung zu Gott vertrauend sein Leben zu gestalten. Das gelingt allerdings nicht alleine dadurch, möglichst theologisches Wissen aufzubauen oder besser das Theologisch-Denken-Lernen zu fördern. Selbstverständlich auch – nur sind wir Menschen nicht zuerst und zumeist nur «Kopf». Darum macht Wissen allein das Leben kaum tragbarer. Was kann aber dann unser Leben, auch unser Leben als Christ, in einer mehr und mehr nachchristlichen Gesellschaft tragen?
Früher gab oft die kirchliche Autorität die Richtung vor. Die fraglose Einbettung in die volkskirchliche, überall spürbare Lebens-Gemeinschaft der Kirche war der Strom, der mittrug. Dazu war der familiärprivate Alltag von Ritualen und Rhythmen, von einem «christlichkatholischen Zeitmanagement» durchzogen, das dem Tag, der Woche, dem Jahr, also der Lebens-Zeit und damit dem Leben, Farbe und Geschmack gab. Heute wissen wir: Kirchliche Autorität ist zerfallen. Selbst in ländlichtraditionellen Gegenden fühlt man sich als Christ wenig mitgetragen. Das Kirchenjahr ist im besten Falle noch Folklore als Lebensraum. Was ist es aber dann, um hier und heute Halt und Richtung im Glauben zu finden und verantwortet christlich zu leben? Dazu muss ich mich zuerst einmal lösen von der Erwartung, andere müssten sich ändern und etwas tun. Ich muss fragen, was kann ich bei mir ändern und wie kann ich handeln? Wie kann ich mein Geschenk des Glaubens öffnen und für mein Leben frei machen? Ich kann mein Leben «in Form» halten. Ich kann mich bewusst hineingeben in einen Rhythmus des Glaubens, der mich immer wieder erinnert, dass mein Leben und das Leben eines jeden Menschen einen guten Grund – Gott – hat. Und da diese Erinnerung seit uralten Zeiten und weltweit geschieht, ist sie zwar immer persönlich, aber doch nicht Privatangelegenheit. Es ist nicht ein Kreisen um mich selbst, nicht spirituelles Sonderprogramm. Es ist vielmehr ein sich Hineingeben in eine Solidarität des Gebetes, des Feierns, des Handelns aus dem Geiste Jesu für meine nächste Umgebung – und auch für die weite Welt.
Beat Zosso
Quelle: Heinrich Dickerhoff, Das Vaterunser lernen? Oder: wenn Worte uns tragen; in Katechetische Blätter 140 (2015) 4–7.