Kirche kann sich im digitalen Raum nicht so präsentieren, wie sie es in den bisherigen Medien getan hat. Foto: Pia Neuenschwander

Kirche on-/offline

10.11.2020

Kirche, Kommunikation und Digitalisierung: Inwiefern passen Kirche und Internet zusammen?

Die Generation der heutigen Jugendlichen ist kommunikationsunfähig. Oder: Die Generation der heutigen Jugendlichen ist kommunikativer, als es je eine vor ihr war. Zwei Narrative, zwei gegensätzliche Bilder, die die Generation(en) der seit 1990 Geborenen beschreiben. Beide haben ihren wahren Kern, obwohl sie sich auf den ersten Blick widersprechen.

Autor: Sebastian Schafer

Mit Leichtigkeit bespielen Jugendliche Medien und Formate, die analog sozialisierten Generationen fremd sind – und immer fremd bleiben werden. Das ist die Realität: Nur Jugendliche wissen, wie Jugendliche kommunizieren. Darin liegt der erste fatale Fehler, den Erwachsene machen: zu meinen, sie könnten wie Jugendliche kommunizieren.

«Jugendsprache» gab es schon immer. Wörter, Ausdrücke, Sprachformen, die von Jugendlichen entwickelt wurden, in Abgrenzung zur Kommunikation der Erwachsenen. In den 90ern war alles «fresh» und «groovy», jetzt ist es «legit» und «cringy». Sprache war aber im Ausnahmefall auch den Erwachsenen zugänglich. Digitale Kommunikationsräume und -formen sind das nicht mehr. Im Halbjahrestakt etablieren sich neue Apps und Messenger, neue Formate, die alle abhängen, die sich im digitalen Raum nicht wie Fische im Wasser bewegen. Inklusive allen Erwachsenen, die heute noch meinen, Facebook sei modern. Lmao.

Die kirchliche Kommunikation ist hier doppelt überfordert. Einerseits wegen des fehlenden Personals im jugendlichen Alter, andererseits wegen eines weiteren fundamentalen Missverständnisses in Bezug auf jugendliche Kommunikation. Für Digital Natives sind digitale Räume nicht einfach Medien wie eine Zeitung oder eine Newsplattform. Sie sind vielmehr tatsächliche Lebensräume, in denen Identitätsbildung und Zusammenleben stattfindet. Für Digital Immigrants bleiben solche Räume immer vom tatsächlichen Lebensraum getrennt – ein abstraktes Werkzeug, Medium.

Nun lässt sich die Gegenfrage stellen: Ist es zielführend, als Kirche bzw. kirchliches Medium in allen digitalen Räumen präsent sein zu wollen – und wenn ja, zielführend wofür: Information? Mission? Seelsorge? Ein Medium wie das «pfarrblatt» will informieren, Hintergründe beleuchten, Diskussionen anstossen und zeigen, wer und was Kirche ist. Es konstruiert eine sogenannte journalistische Öffentlichkeit, die vom Medium «pfarrblatt» informiert wird. Die kommunikative Realität in sozialen Medien, die von Jugendlichen genutzt werden, ist eine andere. In Social Media findet persönliche Öffentlichkeit statt – ein widersprüchlicher Begriff, der aber zeigt, was am digitalen Raum so speziell ist. Jede Person konstruiert ihre Öffentlichkeit selbst. Es gibt nicht die eine geteilte Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit, die ich im digitalen Raum wahrnehme, wurde geschaffen durch Vernetzungen, die ich selbst hergestellt hatte, und durch Algorithmen, die diese Vernetzungen verstärken.

Eine Folge davon sind die berüchtigten «Echokammern» – Räume, in denen ich nur noch Meinungen höre, die meine bestehenden Überzeugungen bestärken. Eine andere Folge davon ist, dass persönliche Öffentlichkeit nicht so leicht von mächtigen Akteuren vereinnahmt werden kann, meistens jedenfalls. Auch von der Kirche nicht.

Um aber auf die oben gestellte Frage zurückzukommen – ein «pfarrblatt» gehört nicht auf TikTok. Es will über die Kirche informieren. Das kann es aber nur, wenn Jugendliche auch etwas über Kirche wissen wollen. Und da liegt der Hund begraben: Das Präsent-Sein von Kirche in persönlichen Öffentlichkeiten der digitalen Räume scheitert vor allem, weil die Kirche aus persönlichen Öffentlichkeiten subtrahiert wurde. Sie kann sich im digitalen Raum nicht so präsentieren, wie sie es in den bisherigen Medien getan hat, und einfach alten Wein in neuen Schläuchen servieren – in Form von Instagram-Bildern, Videos, Facebook-Seiten. Das wird von Jugendlichen gnadenlos durchschaut. Click, unfollowed.