Gemeinsam konstruktive Lösungen finden. Josef Wäckerle. Foto: Pia Neuenschwander

Kirche und Staat

01.04.2015

Am 27. März stellte Regierungsrat und Kirchendirektor Christoph Neuhaus den lange erwarteten Bericht zum Verhältnis von Kirche und Staat vor. Den Leistungen der Kirchen wird ein gutes Zeugnis ausgestellt. In der Stellungnahme des Regierungsrates zum Bericht wird dennoch eine Entflechtung des Verhältnisses favorisiert. So sollen die Pfarrer direkt von den Kirchen und nicht mehr durch den Kanton angestellt werden. Synodalratspräsident Josef Wäckerle nimmt zu den Berichten Stellung.

«pfarrblatt»: Die Landeskirchen wurden zur Erstellung des Berichts mit einbezogen. Wurden Sie nun trotzdem von manchen Schlussfolgerungen des Regierungsrates überrascht?
Josef Wäckerle: Überrascht nicht, jedoch enttäuscht. Wir signalisierten im Vorfeld unsere Bereitschaft, gemeinsam mit dem Kanton über die Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche-Staat nachzudenken und zu verhandeln. Mit Ausnahme von Datenbereitstellungen waren wir weder beim Expertenbericht noch bei den politischen Schlussfolgerungen mit einbezogen. Konsultation hiess lediglich, dass wir die Entwürfe vor der Veröffentlichung zu Gesicht bekamen und dazu Stellung nehmen konnten. Die gemachten Vorschläge sind uns zu vage.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass der monetäre Wert der Dienstleistungen, die durch die Kirchen erbracht werden, grösser ist als die ihnen vom Staat zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel. Beruhigt Sie dieser Befund?
Es freut uns, dass nun offiziell bestätigt wird, dass die Kirchen für die Gesellschaft viel mehr leisten, als der Staat für die Kirchen bezahlt. Die Schlussfolgerung daraus müsste jetzt sein, dass die letzten Sparrunden bei den Kirchen zu weit gingen und weiteres Sparen nicht mehr gerechtfertigt ist.

Der Regierungsrat strebt keine Trennung von Kirche und Staat an, sondern will ihre enge Verflechtung im Kanton Bern lockern. Begrüssen Sie diese Gewichtung?
Der gewählte Weg scheint insofern sinnvoll, als ohne Verfassungsänderung das Kirchengesetz von 1945 überarbeitet werden soll. Bei einer Weiterentwicklung mit noch grösseren Änderungsabsichten wäre für beide Seiten das «Fuder wohl überladen» gewesen.

Insbesondere soll die kantonale Anstellung der Geistlichen durch den Kanton aufgegeben werden. Diese sollen nun neu von der Landeskirche angestellt werden. Sind Sie auf eine solche Aufgabe vorbereitet?
Nein, denn wir kennen die uns vom Staat künftig auferlegten Rahmenbedingungen noch nicht. Wir können lediglich sagen: Es handelt sich für uns um die administrative Betreuung von 75 Vollzeit-Stellen für Pfarrpersonen.

In der katholischen Kirche bestimmt aber vor allem das Bistum über die Anstellung von Geistlichen. Erschwert oder erleichtert dies eine solche neue Aufgabe?
Heute sind für staatsbesoldete Geistliche abweichende Regelungen gültig. Es gibt eine Prüfungskommission für die Kirchendienstaufnahme und eine Kommission für die Stellenzuteilung zur pastoralen Grundversorgung. Der Grosse Rat entscheidet über die Stellenanzahl, der Regierungsrat über die Kriterien zur Stellenverteilung. Dazu hat das Bistum mit der Anerkennung des bernischen Kirchengesetzes ja gesagt. Sollen wir heute hinter solch demokratische Errungenschaften zurückgehen?

Der Regierungsrat schlägt Massnahmen vor, die zu einer Stärkung der Landeskirchen führen würden. Dafür benötigt die Landeskirche aber finanzielle Mittel von den Kirchgemeinden. Rechnen Sie damit, dass hier noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss?
Wir müssen mit allen Beteiligten zusammensitzen, um konstruktive Lösungen zu finden. Heute wissen wir nicht, wie viel der Staat für diese Aufgabenübernahme zahlt. Auch die künftige Finanzierungsregelung für Pfarrstellen ist offen. Das wird noch verhandelt werden müssen. Unsere Anliegen sind, dass die historischen finanziellen Ansprüche respektiert werden, dass wir nicht mehr fast jährlich zum Budgetspielball des Parlaments werden und dass eine künftige Lösung langfristig nachhaltig und verlässlich ist.

Aus politischen Gründen will der Regierungsrat zurzeit keine weiteren Religionsgemeinschaften anerkennen. Ist dies ein kluger Entscheid?
Der Regierungsrat will Möglichkeiten für sogenannte «kleine» Anerkennungsschritte prüfen. Dasselbe empfiehlt die Rechtskommission der Röm.Kath. Zentralkonferenz der Schweiz. Die Berner Kirchen haben sowohl in den religiösen Dialog als auch in den Bau des Hauses der Religionen finanziell viel investiert und damit einen grossen Beitrag zum Religionsfrieden geleistet. Anerkennungsmöglichkeiten für andere Religionsgemeinschaften zu schaffen, ist aufgrund des Bundesverfassungsauftrags zuerst Sache des Kantons.

Die Landeskirchen können nun auf diesen Bericht reagieren. In welche Richtung wird sich ihre Stellungnahme bewegen?
Vorerst müssen die gemachten Vorschläge geprüft und evaluiert werden. Die Landeskirchen haben bei der Konsultation gemeinsam eine erste grundsätzliche Position verfasst. Die Berichte gehen nächste Woche zur Stellungnahme an die Kirchgemeinden und die Abgeordneten der Synode. Die pastorale Seite wird ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladen. Zudem findet im April ein Informationsanlass statt, wo den Experten Fragen gestellt werden können. Erst nachher wird unsere Stossrichtung konkret sichtbar.

Interview: Niklaus Baschung, «angelus» 

zu den Berichten