Er steht lieber selber im Regen, als andere im Regen stehen zu lassen. Mounir Maalouli, Hausmeister. Foto Pia Neuenschwander

Kleine Gesten verändern die Welt

07.03.2018

Sie sind die Visitenkarten der Pfarreien, ihre Hilfsbereitschaft prägt das Image wesentlich. Mounir Maalouli ist seit 27 Jahren Hausmeister der Pfarrei Dreifaltigkeit Bern, nun geht er in Pension.

Sie sind die Visitenkarten der Pfarreien. Die Sekretärinnen, Hausmeister und Sakristane. Ihr Lächeln, ihre Gastfreundschaft, ihre Hilfsbereitschaft prägen das Image wesentlich. Mounir Maalouli, Hausmeister der Pfarrei Dreifaltigkeit tut das seit 27 Jahren. Jetzt wird er 65.

«Mit bald 65 merke ich, wie schnell die Jahre dahingezogen sind», bemerkt Mounir Maalouli zur Begrüssung und zieht seine ergrauten Augenbrauen zusammen, nicht ohne ein schelmisches Lächeln auf den Lippen. Auf dem Besprechungstisch in seinem Büro stehen ein Teller Gipfeli, eine Flasche Wasser, Gläser und er fragt, ob ich einen Kaffee wünsche. Seit Jahren buchen wir vom «pfarrblatt» bei Mounir verschiedene Säle und Sitzungszimmer im Dreifzentrum und in der «La Prairie» für verschiedene Anlässe. Das hat immer unkompliziert, schnell und freundlich geklappt. Der gebürtige Libanese Mounir kochte uns auch schon mal für eine Versammlung ein libanesisches Mittagessen. «Das mache ich ein- bis zweimal im Jahr. Eine Abwechslung für meinen Berufsalltag».

Abwechslungsreich ist sein Job sowieso. Er reserviert, bestellt Materialien, koordiniert Einsätze seines Personals, putzt, lagert, flickt, stellt Kaffee und Apéros bereit und eben, er kocht, wenn nötig. Und immer wieder führt er Gespräche, hört zu, ist hilfsbereit. Ganz praktisch. Mounir ist einer, der sich Zeit nimmt. Meist sieben Tage die Woche, weil er mit seiner Familie in der Dienstwohnung im Zentrum logiert. «Weisst Du, im Wesentlichen geht es um den Dienst am Menschen. Das machen doch alle meine Kollegen in den Pfarreien.

Ich habe Freude daran, wenn ich helfen kann, wenn ich zum Gelingen eines Anlasses beitragen kann. Das ist mir in den vielen Jahren nie verleidet.» Natürlich gab es in den vergangenen Jahren auch Momente, die ihm Mühe machten: «Die Drogenszene ums Haus und die liegengelassenen Spritzen auf unserem Spielplatz, der Drogenstrich auf der nahegelegenen kleinen Schanze – das Elend dieser Menschen machte mir zu schaffen». Geholfen hat ihm das Mitgefühl: «Jeder dieser Abhängigen hat seine Geschichte. Manchmal sind es ganz traurige Erfahrungen.» Darum findet er auch die «Prairie» so wichtig, dieses offene Haus der Gastfreundschaft: «Dieses Angebot ist einzigartig. Nicht mehr wegzudenken. Auch wenn es viel zu tun gibt».

Mounir Maalouli ist im Libanon aufgewachsen. Vor über 45 Jahren besuchte er während einer Ferienreise Freunde in der Schweiz. Sein Vater war sogenannt «rum – Orthodox*», seine Mutter Maronitin, eine mit Rom unierte christliche Gemeinschaft. Damit die beiden heiraten konnten, konvertierte der Vater und wurde römisch-katholisch: «Nur so konnten die beiden heiraten, weil bei den Maroniten die Regeln streng sind. Konfessionsverschiedene Ehen sind verboten.»

In der Schweiz gefiel es ihm. Er beschloss zu bleiben. Er lernte deutsch, suchte eine Arbeitsstelle, bekam eine Aufenthaltsbewilligung «Die Chancen einen Job zu finden waren hier besser als im Libanon», erzählt er. In einer Firma in Basel, die Dampfabzüge fabrizierte, brachte er es bis zum Betriebsleiter. Später arbeitete er für den Chemiemulti «Sandoz» und plante eigentlich einen weiteren Ausbildungsschritt. «Durch familiäre Beziehungen lernte ich meinen Vorgänger hier im Dreifzentrum kennen. Er fragte mich, ob ich mich nicht für den Job als Hausmeister bewerben wolle. Ich schaute mir das an. Bern gefiel mir besser als Basel. Für die Kirche zu arbeiten reizte mich. Also bewarb ich mich.»

Die Integration in der Schweiz ist ihm gut gelungen: «Am Anfang war das schwierig, auch wenn damals noch nicht so viele Ausländer hier waren wie heute. Die Sprache lernen, das war wichtig und die Arbeitssuche war mühsam. Arbeiten ist wichtig für die Integration.» Die Anpassung an die hiesige Kultur forderte ihn auch. «Ein Beispiel: für uns im Libanon war es undenkbar, dass eine verheiratete Frau mit einem Mann alleine Kaffee trinken ging. Das gab es nicht. Das musste ich erst lernen, dass auch meine Frau alleine ausging um jemanden zu treffen. Das war nicht einfach.» Er lacht.

Wie erlebte er die Kirche hier im Vergleich zu seiner Heimat und in der Entwicklung der Jahre? «Die Kirche im Libanon hatte Macht über ihre Gläubigen. Wie die Kirchen überall in der Welt. Mit den Jahren haben die Verantwortlichen gemerkt, dass sie mehr mit den Menschen mitgehen müssen, ihnen im Sinne der Befreiungstheologie auch praktisch beistehen sollten. Nun finde ich, kommt das Machtstreben in den Kirchen generell irgendwie wieder zurück.» Zeigt sich das auch in Bern? Mounir überlegt: «Vielleicht hat es mit der Professionalisierung zu tun. Früher hatte man mehr Zeit für die Angestellten, für die Menschen in einer Pfarrei, heute hat irgendwie niemand mehr für niemanden Zeit.» Mounir wird nachdenklich: «Statt sich zu öffnen, grenzt sich die Kirche wieder mehr nach innen ab, bindet die Leitungsämter an die Hierarchie, statt dass sie Teams stärkt. Sie baut wieder auf Zentralismus, statt auf den Dienst am Menschen. Das ist mein persönlicher Eindruck.»

Dieser Dienst, dieses Miteinander habe ihn durch all die Jahre getragen, sagt er und fragt mich, ob ich noch einen Kaffee möchte: «Dieses Helfen, dieses den Menschen zudienen werde ich vermissen. Mit diesem Helfen konnte ich im Kleinen die Welt verändern. Verstehst du? Das ist mir wichtig.» Jetzt, sagt er, ist die Zeit so schnell vergangen, sein Leben dauere nicht mehr lange, er merke das es erst jetzt – jetzt wo er aufhöre: «Weisst Du, viele fragen mich, ‹was machsch iz de› – und ich frage zurück: muss ich etwas machen? In meiner Umgebung, dort wo ich bin, weiterhin mit Menschen gut sein, mit kleinen Gesten, das werde ich weiterhin tun. Und ab und zu nach Zypern reisen. Dort ist das Klima ähnlich wie im Libanon.» Ich trinke meinen Kaffee aus und denke, glücklich die Pfarrei, die einen solchen Hausmeister hat.

Jürg Meienberg

*«rum», arabisch einerseits für «Rom» – gemeint ist Konstantinopel «das neue Rom» –, andererseits für «Byzantiner»; heute die Antiochenische Kirche.