Kapelle mit Reliquien von Papst Johannes Paul II. in der Kirche Santa Maria Immacolata e San Giuseppe Benedetto Labre im Quartier Tuscolano in Rom. / Foto: Agenzia und Romano Siciliani/KNA

Knöchelchen, Holzsplitter und Blutstropfen

04.04.2023

Reliquien - verwahrt und verehrt. Die Jahresserie #heiligbern

Reliquien spielen auch heute noch eine Rolle in der katholischen Kirche. Die Anordnung, in jeder Kirche Überreste von Heiligen in  zu bewahren und zu verehren, gilt seit dem frühen Mittelalter. Der Wert dieser Reliquien ist allerdings sehr unterschiedlich.

von Nicole Arz

Als vor einigen Jahren publik wurde, dass Unbekannte ein Stoffläppchen mit einem Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. aus dem Kölner Dom entwendet hatten, wurde zumindest eines offenbar: Reliquien spielen auch heute noch eine Rolle in der katholischen Kirche.

Reliquien und Patrozinium

Seit dem frühen Mittelalter galt es als Anordnung, dass in jedem Altar eine Reliquie beizusetzen sei. Davor war es zunächst Brauch, am Grab eines heiligen Märtyrers dessen Beistand zu erflehen. Die Überführung von Reliquien machte es möglich, dass dies auch in der Kirche vor Ort geschehen konnte. Oft wurde diese Kirche dann auch dem Patrozinium dieses Heiligen unterstellt. Besass eine Kirche gar mehrere Reliquien, wurde derjenige Heilige als Kirchenpatron bestimmt, von dem die Kirche die bedeutendste Reliquie besass.

So konnte im Laufe der Zeit auch ein Kirchenpatron verdrängt werden, wenn etwa die Kirche die Reliquie eines bedeutenderen Heiligen oder gar einen Splitter vom Heiligen Kreuz erhielt – oder aber ein anderer Heiliger dem Zeitgeist mehr zu entsprechen schien. So wurden beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des grossen Konflikts zwischen Kirche und Staat zahlreiche Kirchen unter das Patrozinium des Heiligen Josefs gestellt, während nach der Einführung des Christkönigsfestes 1925 zahlreiche Christkönigskirchen entstanden.

Situation heute

Im römisch-katholischen Ritus der Kirchweihe von 1994 wird die Beisetzung von Reliquien bei der Kirchweihe nicht mehr gefordert, nur noch empfohlen. Diese müssen allerdings eine gewisse Grösse haben, damit sie noch als Teile menschlicher Körper erkennbar sind und einer Echtheitsüberprüfung standhalten. Womit wir wieder beim Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. wären. «Der materielle Wert ist nur gering, viel grösser ist der ideelle Verlust», sagte Dompropst Gerd Bachner nach dem Diebstahl und appellierte an die Diebe, die Reliquie zurückzugeben. Der Diebstahl sei ein Angriff auf einen grossen Menschen noch nach seinem Tod.

Der Kölner Dom hatte hier im Endeffekt weniger Glück als die kleine Kirche San Pietro della Ienca bei L'Aquila in den mittelitalienischen Abruzzen. Auch hier war einige Jahre zuvor die Reliquie des Papstes gestohlen worden. Tagelang, so heisst es, hätte die Polizei die Gegend durchkämmt und wurde schliesslich in einer Garage fündig. Daraufhin gestanden drei junge Männer die Tat. Offenbar hatten sie den Wert ihrer Beute gar nicht erkannt – und auf der Flucht erst die Umhüllung der Reliquie und später auch das mit Blut getränkte Stück Stoff weggeworfen. «Johannes Paul II. hätte ihnen sicherlich vergeben», sagte der Weihbischof von L'Aquila, Giovanni D'Ercole, «wir sollten das auch tun.»

Der Kölner Dom hat mittlerweile eine neue Blutreliquie von Papst Johannes Paul II. erhalten. Auf dem nun besser gesicherten Schaugefäss ist in 14 Sprachen ein Zitat aus der ersten Predigt des polnischen Papstes zu lesen: «Habt keine Angst! Öffnet, ja reisst die Tore weit auf für Christus!»


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