Koffergeschichten
Menschen erzählen übers Fremdsein und Dazugehören...
«Wirklich zuhause fühle ich mich dort, wo ich herkomme, bei meiner Familie. Warum? Wenn ich dort bin, fragt mich niemand: ‹Woher kommst du›? ‹Wie gefällt es dir in der Schweiz›? ‹Was machst du hier›? ‹Wie lange bist du schon hier›? – diese Fragen! Manchmal sind sie unangenehm.»
Diese Aussage stammt von einem jungen Mann, den wir im Rahmen der Aktion Auf und davon – Koffergeschichten vom Fremdsein interviewt haben. Und sie zielt ins Herz des Themas der diesjährigen Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassimus. Unter dem Slogan «Wie lange bleibt man eigentlich fremd – oder – gehörst du schon dazu?» beschäftigen wir uns eine Woche lang mit der Tatsache, dass Migration zwar längst zu unserem Alltag gehört, Menschen aber trotzdem aufgrund ihres Aussehens, ihres Namens, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Sprache als Fremde wahrgenommen und kategorisiert werden.
Dies äussert sich zum Beispiel so, dass der Nati-Fussballer Granit Xhaka 2009 auf eine Medienanfrage hin klarstellen muss: «Ich bin nicht gut integriert in der Schweiz – ich bin Schweizer!». Das Zitat bringt zum Ausdruck, dass in der Schweiz die Herkunft, die Herkunft der Eltern oder oft auch nur die äussere Erscheinung stets Fragen nach der Zugehörigkeit auslösen. Das alleine ist nicht rassistisch.
Wenn dies aber einher geht mit ungleichen Chancen und dies als normal empfunden wird – dann ist das Rassismus. Die Aktionswoche beschäftigt sich mit dieser «Fremdmacherei» und den Folgen davon. Die Frage «Wo kommst du her?», die wir so oft im Alltag benutzen, ist – wie das Zitat am Anfang des Artikels zeigt – in diesem Zusammenhang gar nicht so unproblematisch. Wie schnell wird daraus ein «Bist du schon lange hier»? – «Wie lange bleibst du hier» oder gar «Wann gehst du wieder»? Die Frage nach der Herkunft macht aus dem aktuellen Aufenthaltsort einen provisorischen und geht davon aus, dass es für jeden Menschen so etwas wie eine «ursprüngliche» Heimat gibt, einen Ort, an den dieser Mensch unabhängig von seinen tatsächlichen Lebenserfahrungen «hingehört».
Aber bleibe ich «eigentlich » Schweizerin, selbst wenn ich den Grossteil meiner Kindheit in Norwegen verbracht habe und Norwegisch als meine Muttersprache empfinde? Wenn ich mich beim Studium in Kopenhagen dann in einen Dänen verliebt habe und nun mit ihm verheiratet bin und in London wohne wo unsere gemeinsamen Kinder zu Schule gehen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich zurzeit Teams in vielen Pfarreien und ref. Kirchgemeinden der Region Bern. Sie führen Gespräche mit Menschen aus ihrem Dorf bzw. ihremQuartier übers Fremdsein und Dazugehören und gestalten spannende Ausstellungen.
An 13 Standorten sind während der Aktionswoche vom 18. bis 24. März Geschichten von Menschen zu entdecken. Abgeschlossen werden alle Ausstellungen mit einem Sternenmarsch, in dem die Beteiligten am Gründonnerstag, 24. März die Koffer aus der Ausstellung ins Stadtzentrum tragen. Sie treffen sich dort um 16.30 auf dem Oberen Waisenhausplatz, sitzen gemeinsam an einen Tisch, um eine warme Suppe zu geniessen. Koordiniert und getragen wird die Aktion von den Fachstellen Sozialarbeit und Kinder&Jugend der kath. Kirche Region Bern und von der Fachstelle Gemeindeleben der ref. Gesamtkirchgemeinde Bern.
Hinweis: Ausstellungsstandorte: www.kathbern.ch/koffergeschichten
Eveline Sagna/Jürg Meienberg