Sylvia Stam, «pfarrblatt»-Redaktorin. Foto: Pia Neuenschwander
Advent in Moll
Viele Adventslieder sind in Moll. Warum sie diese der Weihnachtsfröhlichkeit in Dur vorzieht, sagt «pfarrblatt»-Redaktorin Sylvia Stam in ihrem Kommentar.
Ich liebe Adventslieder. Sie kommen ohne Familienidylle und Krippenromantik aus. Advent, das ist der Schrei nach Trost aus dem Jammertal. Das sind nächtliche Tränen in vorgedrungener Nacht. Das ist ein Dornwald ohne Laub.
Es erstaunt mich nicht, dass viele Adventslieder in Moll gehalten sind. Sie klingen getragen und melancholisch. Sie warten. Sie harren. Drängen bisweilen voller Ungeduld: Oh komm, oh komm endlich, Emmanuel!
Ausserhalb von Kirchen höre ich keine Adventslieder. In Super- und auf Weihnachtsmärkten erklingen schon jetzt die oh so fröhlichen Lieder vom holden Knaben und rotnasigen Rentier, selbstverständlich in Dur. Hier steht ja auch alles zur Verfügung, jetzt und sofort.
Warten ist nicht unser Ding. Vielleicht, weil ausserhalb der Kirchen die Hoffnung fehlt. Im Jammertal ausharren kann wohl nur, wer an Erlösung glaubt. Auch mir fällt es angesichts der Weltlage schwer, an Erlösung zu glauben. Dennoch singe ich gern Adventslieder, besonders jene in Moll, weil sie das Schwere benennen. Und Benennen ist bekanntlich der erste Schritt zur Veränderung.
Singen Sie also Adventslieder! Ich wünsche Ihnen dabei viel Geduld, Durchhaltevermögen und Hoffnung.
Sylvia Stam
«pfarrblatt»-Redaktorin
P.S. Die schönste Interpretation von «Oh komm, oh komm, Emmanuel» finden Sie unter diesem Link.