Beim Austeilen der Kommunion ist darauf zu achten, dass die glutenfreien Hostien auf keinen Fall mit normalen Hostien in Berührung kommen. Foto: Adobe Stock
Kommunion ohne Bauchweh
Glutenfreie Hostien für Zöliakie-Betroffene
Hostien müssen laut Kirchenrecht zwingend Weizen enthalten, damit die Wandlung stattfinden kann. Menschen, die an Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leiden, müssen dennoch nicht auf die Kommunion verzichten.
von Sylvia Stam
«Mein Körper reagiert zwar nicht heftig, wenn ich eine normale Hostie kommuniziere, aber sie tut meinem Körper nicht gut. Der Darm bleibt entzündet, auch wenn ich keine Symptome habe», sagt Laura Marti, Sekretärin im Pastoralraum Bern Oberland. Typische Reaktionen seien Blähungen oder Durchfall. Anders Stefan Mettler, Seelsorger in der Pfarrei Ingenbohl-Brunnen. «Wenn ich eine normale Hostie kommuniziere, leide ich danach drei Tage unter Verstopfung und Müdigkeit», sagt der Theologe.
Die beiden Betroffenen sind mit ihrer Krankheit nicht allein: In der Schweiz ist etwa ein Prozent der Bevölkerung von Zöliakie betroffen, das entspricht rund 85000 Menschen, wie die IG Zöliakie auf Nachfrage mitteilt. Allerdings seien die Symptome sehr unterschiedlich, weshalb viele nichts von ihrer Krankheit wüssten.
«Ungültige Materie»
Während man bei der alltäglichen Ernährung auf Alternativprodukte wie Reis- oder Kartoffelmehl zurückgreifen kann, stellt die Kommunion Betroffene und Seelsorger:innen vor Probleme. Denn laut Kirchenrecht muss das für die Eucharistiefeier verwendete Brot «aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein» (CIC 1983/924 §2).
In einem Schreiben an die Bischofskonferenzen formulierte die Glaubenskongregation 2003: «Hostien, die überhaupt kein Gluten enthalten, sind für die Eucharistie ungültige Materie.» Das bedeutet, dass die Wandlung des Brotes zum Leib Christi nicht stattfinden kann. Begründet wird dies laut Birgit Jeggle-Merz, Professorin für Liturgiewissenschaft an den Theologischen Hochschulen Chur und Luzern, mit der Praxis Jesu beim Abendmahl, «der das zu biblischer Zeit gebräuchliche Brot aus Weizenmehl als Zeichen für sein Heilshandeln verwendete».
In Treue zur biblischen Überlieferung werde bis heute an dem festgehalten, was die drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas sowie Paulus über das letzte Abendmahl berichteten. «Insofern wird nur jenes Brot als ‹gültige Materie› bezeichnet, das wenigstens einen Bruchteil von reinem Weizenmehl enthält», so Jeggle-Merz.
Tatsächlich erlaubt auch die Glaubenskongregation im Schreiben von 2003, dass «Hostien, die wenig Gluten enthalten, jedoch so viel, dass die Zubereitung des Brotes möglich ist ohne fremdartige Zusätze und ohne Rückgriff auf Vorgangsweisen, die dem Brot seinen natürlichen Charakter nehmen», für die Eucharistie gültig sind. Aus diesem Grund gibt es sogenannt glutenfreie Hostien für Zöliakie-Betroffene. Diese enthalten zwar 14 mg Gluten pro Kilogramm Mehl, liegen damit aber innerhalb der Norm von 20 mg/kg Mehl, nach der ein Nahrungsmittel als «glutenfrei» gilt.
Sollte ein:e Gläubige:r auch diese Hostien nicht vertragen, so bleibt die Möglichkeit der «Kommunion unter der Gestalt des Weines», hält die Glaubenskongregation fest.
3000 Hostien jährlich
Zuständig für den Vertrieb der glutenfreien Hostien ist die Hostienbäckerei im Kloster Hermetschwil AG. Diese bezieht sie aus Deutschland. Gemäss Äbtissin Angelika Streule werden in der Schweiz jährlich insgesamt rund 3000 solcher Hostien bestellt. Heute sind sich die meisten Pfarreien der Problematik bewusst und halten für Zöliakie-Betroffene glutenfreie Hostien bereit.
Zu beachten gilt dabei, dass diese «auf keinen Fall mit glutenhaltigen Hostien in Berührung kommen», schreibt die IG Zöliakie in einem eigenen Flyer zu dieser Thematik. Darum müssten die glutenfreien Hostien in einem separaten Gefäss aufbewahrt werden und die Spender:innen müssten vor dem Berühren der Hostien ihre Hände reinigen.
Laura Marti aus Thun zieht es allerdings vor, gar nicht zu kommunizieren. Sie fühlt sich etwas blossgestellt, wenn sie eine separate Hostie holen muss. «Die Kommunion ist zwar der wichtigste Teil, aber ich komme deswegen nicht weniger gesegnet aus dem Gottesdienst», sagt die Sekretärin.
Dennoch wirksam
Laut Jeggle-Merz gibt es auch Hostienbäckereien, die trotz der kirchenrechtlichen Vorgaben für Oblaten Mehl verwenden, das nicht glutenhaltig ist. «Kirchenrechtlich gesehen ‹passiert nichts›, wenn über diese Hostien das eucharistische Hochgebet gesprochen wird», sagt dazu die Liturgieprofessorin. Dennoch gibt sie zu bedenken: «Haben die Mitfeiernden, die diese Hostien zu sich nehmen, tatsächlich nicht Eucharistie gefeiert? Sind sie nicht verbunden mit dem in Tod und Auferstehung Jesu Christi geschehenen Heil?»
Jeggle-Merz verweist darauf, dass die Frage nach der Gültigkeit der Eucharistie in der scholastischen Theologie seit dem 12. Jahrhundert von grosser Bedeutung war. Darüber hinaus gebe es aber auch das Kriterium der «Fruchtbarkeit», das danach fragt, ob ein Sakrament auch das bewirke, was es bewirken soll. Diese sei doch sicher auch gegeben, «wenn ein von Zöliakie betroffener Mensch eine aus Kartoffel- oder Reismehl bestehende Hostie empfängt».
Klebereiweiss Gluten
Zöliakie ist eine Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiss Gluten. Dieses ist in vielen Getreidesorten, darunter Weizen, enthalten. Bei Betroffenen löst der Verzehr von Gluten eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Die Dünndarmzotten werden geschädigt, sodass der Körper wichtige Nährstoffe nicht mehr aufnehmen kann. Dies kann zu verschiedenen Symptomen führen, die von Magen-Darm-Beschwerden bis zur Wachstumsverzögerung bei Kindern reichen. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung haben eine genetische Veranlagung für Zöliakie, doch nur ein Bruchteil erkrankt daran.
www.zoeliakie.ch
Wenig Betroffene im Kanton Bern
In einigen städtischen Pfarreien des Kantons Bern kommunizieren wöchentlich einzelne Zöliakie-Betroffene, in den meisten Berner Pfarreien kommt dies jedoch nur wenige Male pro Jahr oder gar nicht vor, wie eine Umfrage des «pfarrblatt» zeigt. Nicht alle haben daher Zöliakie-Hostien auf Vorrat. Empfohlen wird, sich vor dem Gottesdienst in der Sakristei zu melden oder vorgängig telefonisch auf dem Sekretariat.
Lesen Sie dazu den Kommentar von Sylvia Stam: «Gott hockt im Weizen»