Wie kann man konstruktiv über Klimafragen diskutieren? Foto: Gregor Gander-Thür, aufsehen.ch
Konstruktiv statt nervig
Editorial der aktuellen Ausgabe von Sylvia Stam
Kürzlich in einem Restaurant: Eine Bekannte erzählt ihrem Kollegen von einem Vereinsausflug, drei Tage Hamburg. Der Rückflug verzögerte sich, weil sich Klimaaktivist:innen auf die Flugbahn geklebt hatten. Die Frau ärgerte sich umso mehr, als drei Tage ohnehin schon knapp bemessen waren für eine so interessante Stadt wie Hamburg. Der Mann, dem sie das erzählte, pflichtete ihr bei: Das mit diesen Klimaklebern sei wirklich nervig.
Ich sass am Nebentisch und war unschlüssig, ob ich mich in das Gespräch einmischen sollte. Dass man sich aufregt, wenn Klimakleber:innen die eigene Reise blockieren, kann ich nachvollziehen. Unverständlich war für mich in diesem Fall, dass das eigene Verhalten in keiner Art und Weise hinterfragt wurde. Bei mir löste das Gespräch vielmehr die Frage aus: Warum muss man für drei Tage nach Hamburg fliegen? In einer Zeit, in der wir von Gletscherschmelze und Hitzesommern sprechen?
Ich hatte nicht den Mut, die Bekannte auf ihr eigenes Verhalten anzusprechen. Wir kennen uns nicht sehr gut, und das hätte unweigerlich zu einer Eskalation geführt, zumal mir in solchen Momenten das Gespür für Diplomatie fehlt. Dennoch ärgere ich mich im Nachhinein über mein Schweigen. Statt sie zu konfrontieren, hätte ich sie fragen können, warum sie Klimakleber:innen nervig finde. Und ob ihr denn das Klima nicht am Herzen liege. Und was sie denn selber für das Klima tue.
Wer weiss, ob daraus nicht ein durchaus konstruktives Gespräch geworden wäre. Ähnlich konstruktiv wie das kontroverse Doppelinterview mit einer Klimakleberin und einer FDP-Politikerin. Ich hoffe, dass das vorliegende «pfarrblatt» Sie zu konstruktiven Gesprächen inspiriert!
Sylvia Stam, «pfarrblatt»-Redaktorin