Foto: Roger Brunner

Krippenplätze

20.12.2019

Im Stall zu Bethlehem gehören Ochs’ und Esel dazu. Warum eigentlich?

Krippe aufstellen. Zuerst natürlich den Stall. Dann mittig das Jesuskind, Maria und Josef je seitlich. Dann die Hirten und Schafe. Für die heiligen drei Könige genügend Platz reservieren, die kommen erst später. Oh, Ochs und Esel nicht vergessen. Ochs und Esel? Warum eigentlich? Steht ja nichts davon in der Bibel.

Vielleicht waren sie ja schon da, bevor Josef und Maria in den Stall kamen? Als eine Art ökologische Heizung? Oder vielleicht hat der Esel die schwangere Maria sogar nach Bethlehem getragen? Die schönste Erklärung, warum Ochs und Esel zur Krippe gehören, liefert für mich der österreichische Dichter und Geschichtenerzähler Karl Heinrich Waggerl (1897-1973):

Als Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem waren, rief ein Engel die Tiere heimlich zusammen, um einige auszuwählen, der heiligen Familie zu helfen. Als erster meldete sich der Löwe: «Nur ein König ist würdig, dem Herrn der Welt zu dienen», brüllte er, «ich werde jeden zerreissen, der dem Kinde zu nahekommt!» Da sagte der Engel: «Nein, du bist mir zu grimmig.» Darauf schlich sich der Fuchs näher und meinte: «Ich werde sie gut versorgen. Für das Gotteskind besorge ich den süssesten Honig und für die Wöchnerin stehle ich jeden Morgen ein Huhn!» «Du bist mir zu verschlagen», sagte der Engel. Da stelzte der Pfau heran. Raschelnd entfaltete er sein Rad: «Ich will den armseligen Schafstall köstlicher schmücken als Salomon seinen Tempel!» «Du bist mir zu eitel», sagte der Engel.

Es kamen noch viele und priesen ihre Künste an. Vergeblich. Zuletzt blickte der Engel noch einmal suchend um sich und sah Ochs und Esel draussen auf dem Felde dem Bauern dienen. Er rief sie heran: «Was habt ihr anzubieten?» «Nichts», sagte der Esel und klappte traurig die Ohren herunter, «wir haben nichts gelernt ausser: Demut und Geduld. Denn alles andere hat uns immer noch mehr Prügel eingetragen!» Und der Ochse warf schüchtern ein: «Aber vielleicht könnten wir dann und wann mit unseren Schwänzen die Fliegen verscheuchen?» Da sagte der Engel: «Ihr seid die richtigen!»

Mein Fazit: Um nahe bei Gott zu sein muss ich nichts Grosses leisten. Ich darf sein, wie ich bin. Sogar Ochsen und Esel haben einen Platz… Ich wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten und ein gesegnetes, neues Jahr!

Roger Brunner, Vikar an der St. Ursenkathedrale und in St. Marien, Solothurn