«Künstliche Intelligenz ist ein Papagei»

Matthias Zehnder referiert in Köniz über die Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz.

Künstliche Intelligenz (KI) etabliert sich verstärkt in unterschiedlichsten Berufsfeldern. Ihr werden teilweise übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben. Ist dem tatsächlich so? Die Pfarrei St. Josef in Köniz setzt sich vertieft damit auseinander.

Luca D’Alessandro

«Künstliche Intelligenz hat keine Seele. Sie gibt lediglich Wortfolgen wieder», sagte der Schweizer Buchautor und Journalist Matthias Zehnder am 26. Mai in Köniz.

Die Seelsorgerin Ute Knirim hatte ihn als Gastredner zur Veranstaltung «Impuls am Puls – Was ist der Mensch? Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz» in die Pfarrei St. Josef eingeladen. Angesprochen waren Gemeindemitglieder und weitere interessierte Kreise, die sich mit dem allgegenwärtigen Thema der künstlichen Intelligenz (KI) auseinandersetzen und dabei auch die eigene Rolle als Mensch im Kontext genauer studieren wollen.

KI als statistisches Modell

Ist KI menschenähnlich? Kann sie uns gar ersetzen? «Nein», meinte Matthias Zehnder in seinem Referat und beim anschliessenden Apérotalk mit Ute Knirim. Zwar könne textbasierte KI wie ChatGPT Menschen bei der Textproduktion bezüglich grammatikalischer Korrektheit und eloquenter Formulierung das Wasser reichen. Dennoch mahnte er zur Vorsicht, nicht alles zu glauben, was der Computer ausspuckt.

«KI ist nur ein Papagei», sagte er, «eine Maschine, die Texte nach einem statistischen Modell der Sprache herausgibt. Welche Worte werden wie kombiniert oder am häufigsten genutzt? An diese Regel hält sich die Maschine.» KI habe folglich keinen Zugang zum Sinn der Worte. Sie könne keinen Bezug zu deren Bedeutung herstellen und zu dem, was Worte in Menschen auslösen.

«Nur Menschen sind dazu fähig. Aus dem Schnabel eines Papageis oder aus einem Computerlautsprecher empfinden wir den Satz ‹Ich liebe dich› als vollkommen sinnentleert», sagte Matthias Zehnder und fügte hinzu: «Kommt derselbe Satz von einem Menschen, ist die Wirkung eine andere.» Schliesslich wüssten nur Menschen um die Bedeutung der Worte. Sie könnten sie interpretieren. «Auch ‹Ich taufe dich im Namen Gottes› macht nur dann Sinn, wenn Menschen dies sagen und tun.»

Als Mensch selbstbewusster sein

«KI beschäftigt uns alle, insbesondere als Interpretierende», bemerkte Ute Knirim und hakte nach, wie Menschen auf KI reagieren könnten. «Mit mehr Selbstbewusstsein für das, was uns als Menschen ausmacht», erwiderte Matthias Zehnder. «Oftmals gilt das Prinzip, dass nur zählt, was messbar ist. Dadurch beschränken wir uns selbst auf das Zählbare und verlieren unsere Menschlichkeit im Umgang mit Computern.

Stattdessen sollten wir genau das Gegenteil tun.» Sich auf das Menschliche besinnen, das eigene Dasein und Handeln reflektieren und Maschinen nur als Hilfsmittel betrachten – diese Erkenntnis nahmen die Teilnehmenden mit. Es gilt, Maschinen weder nachzuahmen noch sie als übermenschlich zu glorifizieren. Stattdessen muss man sich bewusst machen, dass die Intelligenz im Menschen liegt, nicht im Gerät. «Im Sinne von ‹intellegere›», so Ute Knirim, «zwischen den Zeilen lesen, interpretieren, den Worten Sinn geben. Das können nur wir Menschen tun.»

«Impuls am Puls»

Impulsreden (statt Predigten) und Apérotalks zu KI in der Pfarrei St. Josef, Köniz:
So, 22. September, 09.30: Algorithmische Diskriminierung. Mit Claude Amsler, Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung und Digital Humanities, Uni Bern.
So, 17. November, 09.30: Künstliche Intelligenz – Was sollen wir tun? Eine theologisch-ethische Einordnung. Mit Peter G. Kirchschläger, Uni Luzern.
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